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Biographie 511
Heiligkeit
Quellen
erstes Buch
Anna als
Landesmutter
Der Zweck dieser Schrift liegt offensichtlich darin, Material für einen künftigen
Heiligsprechungsprozess zusammenzutragen. So erklärt sich der Aufbau des Wer-
kes, der sich ganz an hagiographischen Mustern orientiert (v.a. das Schlusskapitel
über Wunder, die sich nach Annas Tod ereigneten). Bereits im Titel wird die Erz-
herzogin als sancte vivens („ein heiliges Leben führend“) beschrieben. Wenn auch
mit Einschränkungen erhält Anna bereits Epitheta einer Heiligen, etwa : ut privatim
non de nihilo credimus, beata (61 ; „die Selige, wie wir zumindest für uns nicht ohne
Grund glauben“).
Im Vorwort gibt O’Dale drei Hauptquellen für sein Werk an : seine eigene Au-
genzeugenschaft, verlässliche Berichte und die italienische Lebensbeschreibung,
die Giovanni Maria Barchi, der Beichtvater der Erzherzogin, verfasst hat (Breve
compendio della Vita et Morte della serenissima et reverendissima Suor Anna Giuli-
ana Gonzaga ; Innsbruck 1622). Im Werk selbst wird dann v.a. eine Quelle immer
wieder genannt, O’Dales eigene, oben besprochene Biographie des Hl. Philippus
Benitius, aus der mitunter seitenweise zitiert wird (z.B. 38–48).
Dass das erste Buch gewissermaßen einen Fremdkörper darstellt, erkennt man
daran, dass die Bücher zwei bis fünf aufeinander abgestimmt komponiert wurden :
Eindeutig klar machen dies die Angaben über die geplante vierteilige Struktur im
ersten Kapitel des zweiten Buches (66–67). Generell liegt der Schwerpunkt des
ersten Buches auf der Ordensentwicklung in Prag (das auch im Katalog der Klöster
[53] am ausführlichsten behandelt wird). Hier werden sogar Urkunden und Briefe
in wörtlicher Abschrift wiedergegeben.
Exemplarisch sei eine Passage aus dem zweiten Buch (91–92) angeführt, in der
O’Dale Anna Caterina als gütige und verständnisvolle Landesmutter zeigt, die sich
in christlichem Geist um Arme und Hilfsbedürftige, aber auch um zum Tod Ver-
urteilte kümmert. Letztere haben sich das odium generis humani („Hass des Men-
schengeschlechts“ ; vgl. Sen. tranqu. 15,1, Tac. ann. 15,44) zugezogen, was Anna
Caterinas Einsatz umso erstaunlicher erscheinen lässt :
Itaque quod magnus ille gentium doctor Paulus de se scripsit, „omnibus debitor factus sum“,
illa de se sic sensit, ut cum omnium mortalium ac praesertim in aerumnis animique angoribus
positorum eximia charitate flagraret, omnium esset et asylon, et qua valebat plus quam humana
efficacia ultimum et certissimum solatium. Enituit ea illius charitas et commiseratio erga eos
etiam homines, qui propter sua facinora generis humani odium meriti societatisque publicae
usura indigni ultimo supplicio addicebantur, quos omni apud maritum ope servare et e mortis
faucibus eripere satagebat.
Was Paulus, jener große Lehrer der Völker, über sich selbst geschrieben hat, „allen schulde
ich etwas“ [nach Rom 1,14], das bezog sie [sc. Erzherzogin Anna Caterina] so auf sich,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593