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526 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Eucharistie
Seefelder
Bluthostie desgrenzen hinausweisende Werke, in denen sich neue religiöse Vereinigungen der
Zeit der katholischen Reform gegen Anfeindungen aus dem eigenen, katholischen
Lager verteidigen.
Mit der Reformation war die Eucharistie ins Zentrum theologischen Interesses
gerückt. In den Augen Martin Luthers war ihr Verständnis als Opfer bei den Katho-
liken ein arger Irrglaube, der das Kreuzopfer in seiner einmaligen Bedeutung herab-
würdigte (Iserloh 1979, 341–343 ; LThK 3, 948). Das Konzil von Trient verurteilte
die reformatorische Position, erlieĂź aber selbst kein positiv gefasstes Lehrdekret
(HdK 4, 494), weshalb die dogmatische Situation in der Schwebe blieb. Dennoch
lässt sich die Eucharistie im Sinne des Tridentinums ungefähr bestimmen als sakra-
mentale Vergegenwärtigung des Leidens Jesu, ein Opfer, das neben dem Kreuzopfer
steht, aber von diesem nicht unabhängig ist (Iserloh 1979, 346–348, 357–359).
Parallel zur theologischen Diskussion entwickelte sich in den katholischen Gebie-
ten, besonders in Ă–sterreich, eine in den Dienst der katholischen Reform gestellte,
obrigkeitlich geförderte eucharistische Frömmigkeit, die als konstitutives Merkmal
der pietas Austriaca („österreichische Frömmigkeit“) gilt. Gerade aus der Diözese
Brixen liegen hierfür viele Zeugnisse vor (Oberhofer 1974, 25–40). Gleichzeitig
fehlte allerdings vielen Geistlichen das einschlägige theologische Grundwissen, und
fĂĽr die Mehrzahl der Menschen war die Hostie mehr Anbetungsobjekt als Heilsmit-
tel (Oberhofer 1974, 70–74, 88–91).
Ein Zentrum eucharistischer Frömmigkeit war Seefeld : Dort war 1384 als Folge
des Fehlverhaltens eines Ritters namens Oswald Milser im Gottesdienst eine blut-
befleckte Hostie erschienen. Einem bekannten Muster entsprechend (LThK 2, 539)
entwickelte sich der Ort in der Folge zur Wallfahrtsstätte, was der Erhebung der
Kuratie zur Pfarre im Jahr 1431 förderlich war (Tinkhauser/Rapp 1855–1891,
Bd. 3, 93). Besondere Wohltäter der Gnadenstätte waren die Landesfürsten Sig-
mund von Tirol, Maximilian I. und Ferdinand II. Letzterer errichtete 1575/76 eine
neue Blutskapelle (Tinkhauser/Rapp 1855–1891, Bd. 3, 102–104) und gab 1580
bei Johann Mayr in Dillingen den Druck einer anonymen Beschreibung der dort
vorgekommenen Wunder unter dem Titel Von dem hoch un weitberhuempten Wun-
derzeichen in Auftrag ; das Vorwort dazu hatte Petrus Canisius verfasst (Baumstark
1997, 556–557). Vorausgegangen war der Druck eines Auszugs der Bullen über die
in Seefeld verliehenen Gnadenmittel bei Höller in Innsbruck (vgl. Dörrer 1932,
421). Bei einer 1602 abgehaltenen bischöflichen Visitation wurde dann allerdings
festgestellt, dass die Hostie in schlechtem Zustand war, und eine Restaurierung
empfohlen. 1604 wurde die Pfarre Seefeld dem Augustinerorden inkorporiert, was
nicht zuletzt aus dem guten Einvernehmen zwischen dem Tiroler LandesfĂĽrsten Ma-
ximilian dem Deutschmeister und Felice Milensio, dem damaligen Generalvikar des
Ordens in Deutschland, resultierte (Tinkhauser/Rapp 1855–1891, Bd. 3, 107–110).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593