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546 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Propositiones
logicae cisco de Toledo und des Pedro da Fonseca gelehrt werden.1 In den Prolegomena zur Logik
kommt zur Sprache, inwiefern sie eine Wissenschaft ist und von welchem Gegenstand sie
handelt. Das Universalienproblem soll nicht erschöpfend behandelt und das Schwierigere
davon für die Metaphysik aufgespart werden. Es schließt sich die Behandlung der aristote-
lischen Kategorien an. Die folgenden Schriften des Organon werden nur auszugsweise und
kursorisch gelehrt : das zweite Buch von De interpretatione sowie beide Bücher der Ana-
lytica priora mit Ausnahme der ersten acht oder neun Kapitel des ersten Buchs. Die Frage
der Kontingenz (vgl. das 13. Kapitel der Analytica priora) sollte nur ganz kurz angespro-
chen und das Problem des freien Willens dabei nicht erwähnt werden – offensichtlich wird
diese Frage auf das Theologiestudium vertagt. Die Topik und die Sophistischen Widerlegun-
gen lehrt man nur vereinfacht und summarisch am Beginn des Kurses. Am Ende des Jahres
leitet man zur Physik über. Besonders berühmte und in den Disputationen oft behandelte
Textabschnitte sollten zusammen mit bekannten Interpretationen ausführlich bespro-
chen werden. Zur Lösung von Problemen rekurriert man entweder auf den griechischen
Originaltext, auf Parallelstellen, auf die Autorität von Interpreten oder auf gute Gründe,
die sich aus der Sache selbst ergeben. Man soll eine Fülle von Fragestellungen behandeln.
Fragen, die nicht unmittelbar aus dem aristotelischen Text hervorgehen, sollen didaktisch
sinnvoll eingestreut werden. Am Ende werden noch einige Regeln für die regelmäßigen
und die feierlichen Disputationen gegeben. Daraus geht u.a. deren streng formalisierter
Ablauf hervor. Die Argumente müssen grundsätzlich syllogistisch vorgebracht werden.
Zuerst greift ein Gegner eine der zu verteidigenden Thesen an, worauf der Respondent
die gesamte Argumentation des Gegners wiederholen muss. Daran fügt er dann nego bzw.
concedo maiorem / minorem / consequentiam („ich verneine“ bzw. „bejahe den Obersatz
/ den Untersatz / die Schlussfolgerung“). Gelegentlich darf er auch den Inhalt eines der
Sätze näher definieren (distinguere), um ihm so bedingt zuzustimmen oder ihn bedingt
abzulehnen. Dieses Verfahren wiederholt sich dann bei jedem Einwand des Gegenredners,
bis sich dieser zufrieden gibt und zur Kritik der nächsten These übergeht.
Man darf davon ausgehen, dass der Druck logischer Disputationen des Innsbrucker
Jesuitengymnasiums bald nach dem Beginn des Logik-Kurses einsetzte. Die ersten
1 Francisco de Toledo SJ (1532–1596) : Introductio in dialecticam Aristotelis („Einführung in die Lo-
gik des Aristoteles“ ; Rom 1560) in fünf Büchern ; Commentaria una cum quaestionibus in universam
Aristotelis logicam („Kommentare zusammen mit Abhandlungen zur gesamten Logik des Aristote-
les“ ; Rom 1572). Pedro da Fonseca SJ (1528–1599) : Institutionum dialecticarum libri octo („Acht
Bücher Unterricht in der Logik“ ; Lissabon 1564) ; Isagoge philosophica („Philosophische Einfüh-
rung“ ; Lissabon 1591). Die angeführten Werke Toledos und Fonsecas brachten es auf zahlreiche
Auflagen und wurden, wie ja gerade auch die Passage aus der Ratio studiorum beweist, zu Standard-
werken des jesuitischen Logikunterrichts.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593