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558 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Widmungs-
schreiben
Klarheit
Sprache Sol ellipticus und Refractiones war diesbezüglich schon die Rede. Noch eindrucksvol-
ler ist das Frontispiz der Innsbrucker Ausgabe des Oculus (vgl. Abb. 86) : Ein kom-
plexes Ensemble aus heraldischen und emblematischen Symbolen, Versuchseinrich-
tungen und kryptischen Motti, das am linken und rechten Rand als Compendium
hieroglyphicum totius operis („Hieroglyphische Kurzfassung des ganzen Werkes“)4
bezeichnet wird. Seine Entschlüsselung wäre eine lohnende interdisziplinäre For-
schungsaufgabe (vgl. einstweilen Daxecker 2000). Auf den zeitgenössischen Leser
wird es jedenfalls einen erhaben-geheimnisvollen Eindruck gemacht und seine
Neugierde geweckt haben.
Auch die Widmungsschreiben sind sorgfältig und zweckmäßig konzipiert. Zum
Beispiel bemüht sich Scheiner zu Beginn des Sol ellipticus sichtlich, seinen hohen
Adressaten Maximilian III. für sich einzunehmen, indem er ihn nicht nur über
die Absicht des Werkes ins Bild setzt, sondern ihn auch erheitert. Er kleidet die
Widmung in die Fiktion, die Sonne selbst habe sich den Erzherzog als Schirmher-
ren gewünscht, aus Schüchternheit aber zunächst nicht gewusst, wie sie ihr Ziel
erreichen sollte. Schließlich habe sie folgenden Weg ersonnen : Ausu igitur magno
Sol gravioribus Serenitatis Vestrae occupationibus intercedere formidans Ovi speciem
induit, quo commodius tantis se mensis sistat […] (Bl. A2v ; „Also nahm die Sonne, da
sie sich fürchtete, mit ihrem großen Wagnis die wichtigeren Beschäftigungen Eurer
Durchlaucht zu unterbrechen, die Form eines Eis an, um so leichter zu so gewalti-
ger Tafel zu gelangen […]“ ; Übersetzungen aus dem Sol hier und im Folgenden mit
kleineren Abweichungen nach Daxecker/Šubarić 1998).
In den Abhandlungen selbst ist für Scheiner Klarheit oberstes Gebot : Sie sind
stets durch Zwischenüberschriften in überschaubare Abschnitte gegliedert und zu-
sätzlich durch Marginalien, Zusammenfassungen und Inhaltsverzeichnisse erschlos-
sen. In den Refractiones und im Oculus lässt die Unterscheidung zwischen Nor-
mal- und Petitsatz das Wichtigste auf einen Blick erkennen. Präzise Stellenangaben
verweisen auf früher behandelte Voraussetzungen der aktuellen Argumentation. Wo
nötig, arbeitet sich Scheiner streng syllogistisch von Prämissen zu Schlüssen vor und
entwirft saubere geometrische Beweise. Solche Passagen werden dann, ebenso wie
Berichte über Experimente, häufig mit geometrischen Zeichnungen und anderen
Abbildungen illustriert (vgl. Abb. 87). Auch von Tabellen macht Scheiner großzügig
Gebrauch, um seine Beobachtungsergebnisse übersichtlich zusammenzustellen.
Die Grundlage für Scheiners wissenschaftsdidaktische Bemühungen ist ein kla-
res Lat. ohne syntaktische Komplikationen. In lexikalischer Hinsicht ist es natürlich
fachsprachlich, doch werden die termini technici sorgfältig eingeführt und definiert.
4 Die ägyptischen Hieroglyphen galten in der Frühen Neuzeit als geheimnisvolle Symbolschrift, in
der eine uralte Weisheit ihren Niederschlag finde.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593