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568 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669)
Charakteristik
Kirche und res
publica litteraria
SelbstportrÀt
Konflikt mit
ClauĂ die Reliquie vor dem Verfall gerettet und Guarinonius nach Hall zurĂŒckgekehrt
war, beauftragte ihn der Domherr Gentilotti, den ganzen Prozess zu dokumentie-
ren, und ĂŒberlieĂ ihm zu diesem Zweck alle den Fall betreffenden SchriftstĂŒcke.
Die Schrift hat die Form einer Chronik, in welcher der Reihe nach alle Ereignisse
erzĂ€hlt und Dokumente vollstĂ€ndig zitiert werden. Neben Guarinoniusâ und Sylva-
ticusâ Abhandlungen sind dies zahlreiche lat. und italienische Briefe, die zwischen
den Beteiligten kursierten, sowie Rezepte fĂŒr konservatorische PrĂ€parate. Guarino-
nius redet von sich wie von anderen Beteiligten in der dritten Person und lÀsst im
ersten Teil der Schrift ĂŒberhaupt nicht erkennen, dass Autor und Figur Guarinonius
ein und dieselbe Person sind. Erst allmÀhlich eröffnet sich dem Leser der Zugang zu
Guarinoniusâ innerer Perspektive, zu Motiven, Ăberlegungen und Zweifeln, welche
den Arzt bei der verantwortungsvollen Aufgabe, einen Heiligen zu âheilenâ, bewe-
gen. Besonders eindrucksvoll gelingt das in der dramatischen Szene, als Guarino-
nius zum ersten Mal direkt vor der mumifizierten Leiche steht. Nach einem innigen
Gebet â in indirekter Rede wiedergegeben â schlĂ€gt Guarinonius die SeidenhĂŒlle
um den MĂ€rtyrer zurĂŒck und entdeckt mit Entsetzen, dass sich die Mumie in einem
viel schlechteren Zustand befindet, als er aufgrund der Briefberichte angenommen
hat. In seiner Verzweiflung ĂŒberlegt er kurz, heimlich aus Trient zu fliehen, ent-
schlieĂt sich dann aber, auf göttliche Hilfe zu warten, mit der allein die Aufgabe
bewÀltigt werden könne. TatsÀchlich weist ihn im weiteren Verlauf der Schrift eine
himmlische Eingebung auf die richtige Konservierungsweise hin.
Neben interessanten Einblicken in die technische Seite des Umgangs mit Re-
liquien zeigt die Schrift durch die enthaltenen Anfragen, Gutachten und Gegen-
gutachten, Briefe und Beratungen, wie Kirche und res publica litteraria im 17. Jh.
kommunizierten und kooperierten.
Sich selbst zeichnet Guarinonius einerseits als selbstbewussten Fachmann, der
auch im theoretischen Disput mit Sylvaticus, dem berĂŒhmten Paduaner Professor
der theoretischen Medizin, seine Ansichten erfolgreich verteidigen kann â dessen
AutoritĂ€t als oracula Patavina (âPaduaner Orakelâ) gibt er leichter Ironie preis â,
andererseits als demĂŒtigen und tieffrommen Mann.
Guarinonius war stets ein streitbarer Geist, immer bereit, mit seiner Feder öf-
fentlich gegen jedes Laster und jede Abweichung von der Wahrheit i.A. sowie ge-
gen Protestanten und Paracelsus-AnhÀnger im Besonderen zu Felde zu ziehen, aber
auch stets geneigt, sich gegen unliebsame medizinische Konkurrenz â meist auf
dem Behördenweg (Moser 1996, 43â44) â zu wehren. Seine Schrift Hydroenogamia
Triumphans (âTriumphierende Hochzeit von Wasser und Weinâ ; Innsbruck 1640)
ist ein Produkt des fachlichen Konflikts mit dem Innsbrucker Arzt MatthĂ€us ClauĂ
(ausfĂŒhrlich dargestellt bei Ć ubariÄ 2007). Im Unterschied zu seinem Streit mit
dem ehemaligen Bozner Lateinlehrer, Rosenkreuzer und Heiler Adam Haslmayr
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593