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582 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Prognosticon,
Consilia
medizinische
Vielfalt den Autoritäten, auf die er sich bei seinem Therapievorschlag (s.u.) beruft, Galen
und sein heftigster Kritiker Paracelsus nebeneinander. Nach und nach wurden zur
Behandlung weitere Ă„rzte hinzugezogen : der angesehene Freiburger Medizinpro-
fessor Johannes Caspar Helbling, der Freiburger Stadtarzt und spätere Nachfolger
Quietanus’ als Leibarzt Leopolds, Johann Jacob Metz, und der Physicus der Vor-
derösterreichischen Regierung in Ensisheim, Johannes Schaller. Auch der Schwei-
zer Arzt und Alchemist Johann Friedrich Eggs, ehemaliger Leibmedicus Erzherzog
Ferdinands II. und Rat Leopolds, beteiligte sich an der Behandlung und lieferte
Medikamente, v.a. eine vom Erzherzog sehr geschätzte Opiumtinktur (Laudanum),
schrieb aber an der Krankengeschichte nicht mit.
Die Historia morbi wird ergänzt durch ein Prognosticon („Vorhersage des Krank-
heitsverlaufs“) aus der Frühphase der Krankheit (Bl. 11v), das Quietanus an die
BrĂĽder Leopolds, Kaiser FerdinandÂ
II. und Erzherzog Karl, richtet, durch ein weite-
res, später verfasstes und ebenfalls an den Kaiser gerichtetes Prognosticon (Bl. 12rv),
unterschrieben von Quietanus, Helbling, Metz und Schaller, sowie durch ein von
Quietanus entworfenes Consilium („Behandlungsvorschlag“ ; Bl. 13r–15v), das sich
an Leopold selbst wendet. Ein weiteres, im Text erwähntes Consilium von Johann
Jacob Metz wurde nicht in die Abschrift aufgenommen. Da diese Ergänzungen
argumentierende, primär an hochgestellte Persönlichkeiten gerichtete Texte sind,
unterscheiden sie sich in ihrem Stil wesentlich von der rein deskriptiven Kranken-
geschichte. Die beiden Vorhersagen beginnen mit der Feststellung, dass eine sichere
Prognose bei akuten Krankheiten besonders schwierig ist, und belegen dies mit
Zitaten aus Hippokrates und Galen.
Die Dokumentation zeigt die volle Breite an HeilmaĂźnahmen, die hochstehen-
den Personen zu dieser Zeit zur VerfĂĽgung standen. Die verabreichten Medika-
mente reichen von simplicia und traditionellen pflanzlichen oder mineralischen
Pharmazeutika (wie Nelkenpulver, Mastixöl oder Laudanum) über chemiatrische
Präparate (wie Weinsteinkristalle oder Kupfervitriol) bis zu exklusiven Heilmitteln
(wie gemahlenen Korallen und Perlen, Theriak, Lebenselixieren usw.). Besonders
beliebt waren die seit dem Mittelalter gebräuchlichen Bezoarsteine und aurum pota-
bile („trinkbares Gold“), ein alchemistisches Elixier, das als Allheilmittel galt. Dazu
kamen Klistiere, Aderlässe, Purgative und Brechmittel. Diese Vielfalt wird durch
Mittel aus der Sphäre der Frömmigkeit, wie z.B. das Wasser des Hl. Landelinus
oder die Berührung mit dem Kopf des Hl. Valentin, ergänzt. Den Rat seiner Ärzte
ignorierend griff Leopold, der an medizinisch-alchemistischen Fragen sehr inter-
essiert war, öfters selbst in die Therapie ein. So verweigerte er z.B. die Applikation
von Blutegeln oder lieĂź sich statt der vorgeschlagenen Medikamente aurum potabile
geben, aus der Überzeugung heraus, dass Angehörige des Erzhauses daran gewöhnt
seien und es ihnen besonders gut tue.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593