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Rechtswissenschaft 591
Hocher
Apparatus
quaestionum
(„Juristisch-historische Schlussfolgerungen betreffs der Verbindung der Bistümer
Trient und Brixen mit dem Land Tirol und des dem Kaiserhaus zukommenden
Rechts, in den diesen Bistümern untertanen Gebieten Abgaben einzuheben“). Das
95 Seiten umfassende Dokument dürfte im Zusammenhang mit dem sogenannten
Steuerstreit entstanden sein, der sich in den 1630er-Jahren zwischen Claudia de’
Medici und den Hochstiften Trient und Brixen entspann, weil die Landesfürstin
Geld brauchte, um sich militärisch gegen die Bedrohungen des Dreißigjährigen
Krieges zu wappnen (Riedmann 2001, 120–121). Es demonstriert beispielhaft Bie-
ners energisches Eintreten für die Stärkung der landesfürstlichen Macht.
Konkret stellt und beantwortet Biener zwei Fragen : 1. Können die Bischöfe von Trient
und Brixen auch abgesehen vom Fall der Landesverteidigung zur Zahlung von Abgaben
an den Landesfürsten verpflichtet werden ? 2. Kann ein niederer Kleriker dazu verpflichtet
werden, im Fall der Landesverteidigung eine größere Summe zu zahlen als sein Vorgän-
ger ? Die erste Frage wird mit der Begründung bejaht, die Bischöfe von Trient und Brixen
hätten schon bei etlichen Gelegenheiten Abgaben an den Landesherrn gezahlt, ohne dass
es sich um einen Fall von Landesverteidigung gehandelt hätte. Sie schuldeten dem Landes-
fürsten eine Gegenleistung für dessen Schutz- und Treuepflichten, und dies beziehe sich
auch auf jene Gebiete, die ihrer direkten Gerichtsbarkeit unterstünden. Die Übertragung
von Regalien, zu denen auch die Steuereinnahmen gehörten, sei erlaubt und üblich, wes-
halb die Bischöfe nicht behaupten könnten, immun zu sein oder über der Grafschaft Tirol
zu stehen. Dass auch die zweite Frage zu bejahen ist, ergibt sich aus diesen Ausführungen
dann praktisch von selbst : Da der Landesherr das Recht hat, vom Klerus Steuern einzuhe-
ben, hat er auch das Recht, diese Steuern, falls nötig, zu erhöhen.
Da Johann Paul Hocher (1616–1683 ; vgl. Farbtafel 15) sich sehr für die Gründung
der Universität Innsbruck eingesetzt hat, in deren Zeichen die folgende Epoche
stehen wird, kann eine Diskussion der juristischen Literatur Tirols bis 1669 passend
mit seiner Person schließen. Der aus Freiburg i.B. stammende Hocher flüchtete
1635 vor den vorrückenden Schweden nach Tirol, wo er zuerst als Advokat in Bo-
zen arbeitete. 1652 wurde er Regierungsrat, 1655 Vizekanzler Erzherzog Ferdinand
Karls, 1660 Hofrat und Hofkanzler des Brixner Bischofs, 1662 Kanzler der Tiroler
Regierung. 1665 ging er nach Wien, wo er zuerst als Hofvizekanzler, dann als Hof-
kanzler bis zu seinem Tod eine der einflussreichsten Persönlichkeiten war (Gschlies-
ser 1938 ; NDB 9, 287–288).
Vermutlich während seiner Zeit als Vizekanzler in Innsbruck verfasste Hocher
eine Sammlung von insgesamt 355 juristischen Problemen, in der auch seine gleich-
zeitige Anwaltstätigkeit in Bozen ihren Niederschlag gefunden haben dürfte. Sie ist
unter dem Titel Apparatus quaestionum practicarum doctoris Hocheri cum decisioni-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 602
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593