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Theater 677
Republikanismus :
Themistocles
spätere
republikanische
StĂĽcke
nach dem vierten Akt die Vaterlandsliebe durch Themistokles’ Tugend die Götter mit
Griechenland und Griechenland mit Themistokles aus.
Der Einbau dieser Elemente war offenbar ein Zugeständnis an die Praxis der Jesui-
tenbĂĽhne, auf der allegorische Parallelhandlungen eine lange Tradition hatten und
nicht zuletzt wegen ihres musikalischen Charakters wohl auch fĂĽr die Zuschauer
besonders attraktiv waren. Darüber hinaus ist die Komplexität des szenischen Auf-
baus in der Fassung der Perioche etwas vereinfacht – es gibt insgesamt weniger Sze-
nen – und die Rollen von Nebendarstellern sind weniger nuanciert. Die Perioche
verzeichnet 51 namentlich genannte Schauspieler, wozu noch eine ganze Reihe von
Statisten und Chorsängern kommen, die nur mit Sammelbegriffen wie aula oder
chorus Persarum et Graecorum bezeichnet sind. Von einer sparsamen Dramaturgie
im Sinne des Klassizismus kann also in der jesuitischen Praxis nur bedingt die Rede
sein.
Ein auffälliger Zug des Innsbrucker Jesuitendramas der Spätzeit ist die Auffüh-
rung republikanischer Dramen. Republikanische Tugendhelden gewinnen auch
auf anderen JesuitenbĂĽhnen des 18. Jhs. an Bedeutung, und man wird sich hĂĽten
müssen, hier zunächst etwas anderes als die rein dramaturgische Orientierung an
weltlichen Vorbildern (vgl. z.B. Gottscheds 1730 aufgefĂĽhrten Cato) zu sehen. Re-
publikanismus auf der Jesuitenbühne ist aber grundsätzlich ein ambivalentes Phä-
nomen, das von Fall zu Fall beurteilt werden muss. Gerade die Innsbrucker BĂĽhne
bietet hier ein interessantes Beispiel. Schon im Themistocles sehnt sich der Held
nach der griechischen Demokratie, wobei der Autor hier zumindest kein bewusstes
politisches Anliegen verfolgt. In seinen Anmerkungen beschäftigt sich Claus u.a.
mit der Frage, ob sein Held vor dem Hintergrund der aristotelischen Dramenthe-
orie, nach der ein Held mit einem Makel behaftet sein muss, nicht zu perfekt sei.
Er entschuldigt sich mit dem Hinweis, dass Aristoteles deshalb keine makellosen
Helden (Fürsten, Könige usw.) zugelassen habe, weil das ein monarchisches System
affirmieren würde – ein Unding für die damalige athenische Gesellschaft. Aus dieser
Überlegung kann man, wenn man möchte, die paradoxe Schlussfolgerung ziehen,
dass der edle Demokrat Themistokles die monarchische Staatsordnung bekräftigt.
Spätere republikanische Innsbrucker Stücke beschäftigen sich mit dem römi-
schen Staatswesen. Ein 1743 gespielter Iunius Lucius Brutus / Ein strenger unparthay-
licher Retter des gemeinen Bestens (Valentin 1, Nr. 5601) zeigt, wie der ältere Brutus
im Kampf gegen Tarquinius und seine Anhänger seine eigenen verräterischen Söhne
opfert. Die Inhaltsangabe der Perioche informiert uns ĂĽber sein KalkĂĽl : Satius esse
ratus, perire suos propter Rempublicam, quam Rempublicam a suis deinceps periclitari.
(„Denn er hielt es für erträglicher, wenn die Seinen für den Staat untergehen, als
dass der Staat in der Folge von den Seinen in Gefahr gebracht wird.“) Die Idee des
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322