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692 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Rogerius abbas
Pater ac fundator Primissers zweiter erhaltener applausus aus dem Jahr 1762 trägt den Titel Roge-
rIVs abbas InsIgnis MonasterII aD tres fontes (aqVae, laCtIs et sangVInIs) In TIroLI
honorIbVs VotIsqVe festIVIs honoratVs a sVIs („Rogerius, der ausgezeichnete Abt des
Klosters zu den drei Quellen – des Wassers, der Milch und des Blutes – in Tirol,
von den Seinen mit feierlichen Glückwünschen geehrt“). Den Ausgangspunkt bil-
det eine Episode, die der von einem Guillelmus verfassten Vita des Ordensgrün-
ders Bernhard von Clairvaux entnommen ist (PL 185, 262B) : Als das Kloster in
Clairvaux durch den Zustrom vieler neuer Mönche aus allen Nähten zu platzen
begann, beschloss Bernhard, seine erste Kolonie zu gründen. Er schickte deshalb
1118 eine Anzahl von Mönchen unter der Leitung eines Rogerius aus, um das
Kloster zu den drei Quellen (Trois-Fontaines im heutigen Département Marne) zu
gründen. Der Stamser Rogerius wird nun mit dem Rogerius von damals verglichen,
und ebenso werden die drei Quellen in allegorischer Form für das hiesige Stift be-
ansprucht : Es handelt sich um die Quelle des Wassers, mit dem Johannes getauft
hat, um die Quelle der Milch, die aus den Brüsten Marias entspringt, und um die
Quelle des Bluts aus den Wunden Christi. Die Vorzüge dieser Quellen werden von
drei Schutzgeistern besungen, die für ihr Fließen zuständig sind. Über allem steht
Rogerius, der, wie u.a. im Schlusschor zum Ausdruck kommt, den Bestand dieser
Quellen im Stift Stams garantiert.
Dem seit 1766 im Amt befindlichen Abt Vigilius hat Primisser 1768 folgenden
applausus gewidmet : Pater aC fVnDator, MIserICors aegrIs, sanIs gratIosVs fILIIs
(„Vater und Gründer, barmherzig gegenüber den kranken, wohlgefällig gegenüber
den gesunden Söhnen“). Er unterscheidet sich materiell dadurch von den ande-
ren, dass er sauber in Buchschrift geschrieben ist. Auszeichnungen stehen in roter
Farbe. Die erste Textseite beginnt mit einer kleinen Zeichnung von Stift Stams (vgl.
Abb. 114). Die Hs. hat also repräsentativen Charakter und könnte in dieser Form
tatsächlich dem Abt überreicht worden sein. Als Sänger treten hier die Urväter des
Zisterzienserordens auf, Benedikt von Nursia – als der Begründer des abendländi-
schen Mönchtums überhaupt – und Bernhard von Clairvaux. Sie preisen u.a. die
Bedeutung der Krankenpflege, was auf den Bau eines Krankenhauses durch Abt Vi-
gilius anspielt. In diesem Zusammenhang greift Benedikt gleich zu Beginn auf seine
Ordensregel zurück,22 und weil aus dieser wohl nicht allzu viele Arien gemacht
worden sind, sei die entsprechende Strophe hier zitiert :
22 Kap. 36 De infirmis fratribus : Infirmorum cura ante omnia et super omnia adhibenda est […] quia de
talibus copiosior merces adquiritur […]. Ergo cura maxima sit abbati ne aliquam neglegentiam patian-
tur. Quibus fratribus infirmis sit cella super se deputata […] („Über die kranken Brüder : Die Sorge für
die Kranken muss vor und über allem stehen […] denn durch sie erlangt man größeren Lohn […].
Daher sei es eine Hauptsorge des Abtes, dass sie unter keiner Vernachlässigung zu leiden haben. Die
kranken Brüder sollen einen eigenen Raum haben […]“).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322