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Theater 699
Charakteristik
ner für einen 14-Jährigen doch etwas altklugen Art –, dass in der heutigen Zeit die
erotischen Verwicklungen überhandgenommen hätten. Er stützt sich dabei u.a. auf
die Autorität eines Pioniers der Literaturgeschichtsschreibung in Italien, Francesco
Saverio Quadrio (1695–1756), aus dessen Della storia e della ragione di ogni poesia
(Mailand 1739–1752) er auf der Rückseite des Titelblatts des Fragments zitiert.
Er, Vannetti, wolle sich durch die Anprangerung anderer Laster wie der Blasphe-
mie oder der Spiel- und Trunksucht unterscheiden (S. 1, admonitio 4 ; vgl. S. 2,
admonitio 6). Der zweite Hauptunterschied besteht in Vannettis Bevorzugung der
Prosa gegenüber dem in der altrömischen Komödie verwendeten Vers. Auch diesem
Punkt widmet er eine – erstaunlich moderne – Erörterung (S. 8 : Cur comoediam
soluta oratione conscripsimus, „Warum ich die Komödie in Prosa geschrieben habe“) :
Verse wirken nicht lebensnah, doch Lebensnähe ist gerade, was die Gattung der Ko-
mödie vermitteln will. Verse in einer Komödie sind also ein Kunstfehler, dessen sich
die Alten noch nicht bewusst waren. Besser hat es die in Prosa verfasste spätantike
Komödie Querolus (ca. 400) gemacht, die Vannetti in dieser Hinsicht als Vorbild
dient. Lebensnähe ist überhaupt ein Ideal Vannettis, mit dem er u.a. auch seine
Bevorzugung von Plautus gegenüber Terenz erklärt : Ersterer gebe „die Sitten des
Volkes viel besser wieder“ (S. 1, admonitio 5 ; multo melius reffert mores Popularium).
Die Handlung und die dramaturgische Ökonomie der Komödie fallen gegen-
über dem ausgeprägten Sprach- und Stilwillen etwas ab. Der Fabel fehlt es an Pfiff,
die zentrale List mit der Lampe wirkt mehr bemĂĽht als listig. Einzelne Szenen
und Wendungen sind aber durchaus gelungen und erreichen teilweise auch den
von Vannetti angestrebten Realismus. Das soll das folgende Textbeispiel veran-
schaulichen. Es enthält die unmittelbar wirkende, parataktische Erzählung des
Transennologus von der Lampenlist und die in Frageform verpackten beiĂźenden
Beschimpfungen Clitophos. Die Szene bietet auĂźerdem ein weiteres Beispiel dafĂĽr,
wie Vannetti nach der Art der römischen Komödie sprechende Namen einsetzt :
Der Name des Erzählers Transennologus heißt nichts anderes als „Listenerzähler“
– transenna („Netz, List“) + logus von gr. lógos („Wort, Erzählung“). Schließlich ist
dieser Abschnitt auch das poetologische Zentrum der Komödie, indem es mit dem
Motiv und der Bezeichnung der Lampe spielt und Bewunderung für die „Lampen-
komödie“ heischt (V,2 ; S. 122–124) :
Transennologus : Nos nos aspicimus vicissim, assentimus. Ille digito silentium facit alterumque
LAMPADAE ellychnium extinguit, non item alterum, mox adrepit abaco, placide, ne crepet,
reserat : suspenso tum gressu LAMPADAM intro condit, ad nos redambulat. „Nunc iam“ inquit
„simulemus ludere, agite ! dissidia, altercationes, contentiones, certamina ficta instituamus, tra-
hamus totas fauces !“
Parmeno : Pol scita Scena atque quidem – LAMPADARIA !
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322