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756 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
De draconibus
Joseph Resch stützen, zu welchem Zweck die frommen Mönche sich denn eine Lügengeschichte hätten
ausdenken sollen.
Die durch Vor- und Rückverweise mit dem ersten Vortrag eng verknüpfte Disser-
tatio academica de draconibus („Akademische Abhandlung über Drachen“ ; TLMF,
Dip. 1230/5) versucht, das zweite unrealistische Element der Gründungssage, die
Existenz von Drachen, zu verifizieren. Möglicherweise ermutigt durch den Erfolg
der ersten Dissertatio ist Kemter diesmal in der formalen Gestaltung wesentlich
kühner. Die Abhandlung beginnt mit der Schilderung des Kampfes zwischen Hay-
mon und dem Drachen in einem 43 Hexameter langen Cento, das nahtlos in die
Prosa eingewoben ist. Die Verse stammen aus Ovids Darstellung zweier Kampf-
szenen, zum einen zwischen Apollo und Python (met. 1,443–445), zum anderen
zwischen Kadmos und dem thebanischen Drachen (met. 3,48–94 mit Auslassun-
gen), werden aber bei Bedarf von Kemter geändert. So wird etwa aus Agenore natus
(„Sohn Agenors“ ; met. 3,51) das metrisch gleichwertige Haymonius heros („Held
Haymon“ ; V. 5). Erst nach dieser Schilderung erfolgt am Ende des Vorworts eine
Anrede an die Zuhörer mit einer captatio benevolentiae. Weitere Ovidverse streut
Kemter auch in die folgenden Kapitel wiederholt ein.
Das erste Kapitel sammelt, ähnlich wie in De Haymone, Belege für die Existenz von Dra-
chen aus antiken Quellen und Heiligenlegenden, das zweite zeitlich und räumlich nä-
herliegende Sichtungen. Das dritte Kapitel erörtert die Entstehung von Drachen. Kem-
ter erklärt sie aus dem Zusammenfluss von Samen aus verfaulenden Resten verschiedener
Tierkadaver, etwa in Raubvögelnestern. Ein Drache ist demzufolge kein Vertreter einer ei-
genständigen Tiergattung, sondern ein einzigartiger Naturirrtum, der sich nicht fortpflan-
zen kann. Das vierte Kapitel widmet sich Kämpfen zwischen Menschen und Drachen, im
fünften und letzten bespricht Kemter die im Kloster aufbewahrte Drachenzunge, welche
der ganzen Überlieferung Glaubwürdigkeit verleiht.
Mit Joseph Resch2 wirkte im Hochstift Brixen einer der letzten bedeutenden His-
toriker aus dem nördlichen Teil Tirols, die in diesem Kapitel vorzustellen sind.
Resch (1716–1782) wuchs in einfachen Verhältnissen in der Umgebung von Hall
auf (der Vater war Salzwäscher in der Haller Saline). Im Alter von zehn Jahren
kam er als Domsängerknabe in die fürstbischöfliche Residenzstadt Brixen, wo er
das Gymnasium besuchen durfte. An der Innsbrucker Universität studierte Resch
Philosophie und kanonisches Recht mit mäßigem Erfolg, kehrte anschließend nach
Brixen zurück und trat in das dortige Priesterseminar ein. Nach dem Besuch der
2 Mitterrutzner 1882 ; Resch 1932 ; Grass 1962 ; Kühebacher 1982.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322