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860 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Zwecke
Widmung gen Begriffe führt zu Stimmungen und Affekten, und daraus wiederum können sich vor-
teilhaft Vorsätze entwickeln. Appendix : Eine Musterpredigt über die Gegenwart Gottes.
Am Ende wird sie auf die Anwendung des Begriffszirkels hin analysiert.
Iuvenalis’ Kombinatorik dient also mehr als einem Zweck : Zunächst richtet sie
sich, wie der Titel schon sagt, an Prediger und Wissenschaftler, worunter besonders
Philosophen und Theologen verstanden sein dĂĽrften. Sie gibt diesen Lesern eine
Topik an die Hand, mit der sie Gedankenmaterial fĂĽr Reden und Abhandlungen
finden und miteinander verknüpfen können. Gleichzeitig garantiert die Analogie
zwischen der Struktur der Topik, d.h. der Auswahl und Abfolge der Zirkelreihen
und Begriffe, mit der Struktur des Seins selbst, dass die Gedanken nicht belanglos
sind, sondern sich am Aufbau der Welt und letztlich am Plan und Wesen Gottes
orientieren. Der BenĂĽtzer der Kunst hantiert eo ipso mit den Kategorien, aus denen
die Welt aufgebaut ist und wird so zum Philosophen und Diener Gottes. SchlieĂź-
lich wirkt dies auch auf seinen Geist zurĂĽck, der durch die Benutzung der Kunst
zum Meditieren ĂĽber die Kategorien und somit ĂĽber Gott und die Welt angeregt
wird und daraus Erbauung und Belehrung schöpft.
Iuvenalis gibt im Verlauf seiner Lehre zahlreiche kleinere und größere Beispiele
fĂĽr die Anwendung der kombinatorischen Kunst, die sich mit theologischen oder
moralischen Fragen beschäftigen. Die weitere Anwendbarkeit seines Systems erhellt
aber nicht zuletzt aus der dem Text vorangestellten Widmungsrede und der authoris
protestatio („Deklaration des Autors“ [sc. bezüglich seiner Orthodoxie]), die beide
in Anwendung der ersten Zirkelreihe verfasst sind. Als Beispiel möge hier ein Aus-
schnitt aus der Widmung an den Innsbrucker Regierungspräsidenten, Hieronymus
Bernhard Graf Ferrari d’Occhieppo (1600–1691), dienen, der die finanziellen Mit-
tel zum Druck des Buches bereitstellte und überhaupt ein Mäzen Iuvenalis’ und der
Tiroler Kapuziner war. Iuvenalis drückt seinen Dank dafür – leicht verschmitzt, was
auf ein herzliches Verhältnis schließen lässt – in einer Praeteritio aus. Sie deutet an,
welch schönen Lobpreis die Kunst der Kombinatorik für den Grafen produzieren
könnte :
Synopsim TIBI praesentaturus, illustrissime et excellentissime Domine, non nisi synoptice lo-
quor : nam etsi pauca dicam, multa capiet abundans prudentia tua, quia sapienti pauca. Si
termini synopseos excursum paterentur, copiosam laudis tuae materiam artis huius principia
ministrarent. Nam in BONO tuam erga Deum orbi notam pietatem enumerandam inveni-
rem ; in MAGNO, quibus fulges, honorum dignitates ; in DURATIONE longiorem tuam in
principum aulis tractandi peritiam ; in POTENTIA vim specialem, qua polles, ad promo-
venda difficilia : in SAPIENTIA plenam agibilium et in seriis consiliis dandis experientiam : in
VOLUNTATE iustitiam et in pauperes plus factis, quam dictis exhibitam misericordiam ; in
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322