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Rechtswissenschaft 891
Naturrecht :
Riegger, Systema
Geständnis widerruft. Die Frage wird im Sinne der damals herrschenden Meinung
beantwortet : Eine dreimalige Anwendung der Tortur sei zulässig, nach dem dritten
Widerruf müsse der Verdächtige jedoch freigelassen werden. Franzonis Begründung
fĂĽr diese Ansicht lautet : Sed qui trina vice tortus, licet totam non semper sustinuerit
torturam, merito aequiparatur ei, qui statim ab initio integram torturam sustinuit.
(10 ; „Doch wer dreimal gefoltert wurde, wird, mag er auch die ganze Folter nicht
immer ausgehalten haben, mit Recht dem gleichgestellt, der gleich von Anfang an
die gesamte Folter ausgehalten hat.“)
Gemeinsam mit der Strafrechtsprofessur wurde in Innsbruck 1733 entspre-
chend der zunehmenden Bedeutung des Naturrechtes auch eine eigene Lehr-
kanzel fĂĽr dieses Fach eingerichtet (Probst 1869, 132). Als erster Professor
wurde aus Freiburg i.B. der frisch promovierte Paul Josef Riegger (vgl. hier
S. 752–753) berufen, der bis 1749 in Innsbruck blieb. Von den juristischen
Werken, die er während dieser Zeit verfasste, und die sich neben dem Natur-
recht auch mit Völkerrecht und Rechtsgeschichte befassen, sei hier sein Maria
Theresia gewidmetes Systema iurisprudentiae naturalis seu universalis („System
der natürlichen oder universellen Rechtswissenschaft“ ; Innsbruck 1744) vorge-
stellt. Es war ursprünglich nur als erster Teil eines vierbändigen Ganzen geplant,
dessen restliche drei Bände jedoch nie erschienen. Das Buch, das auf 146 Seiten
in acht Kapiteln die elementarsten Regeln des Naturrechts erklärt, sollte als
Vorlesungsgrundlage dienen und ist dementsprechend geschrieben und dispo-
niert : Die Sätze sind einfach, Wiederholungen häufig, der Gedankengang leicht
zu verfolgen ; wichtige Begriffe werden jeweils mit einer Definition eingefĂĽhrt.
Inhaltlich geht Riegger, obwohl grundsätzlich aufklärerisch gesinnt, davon aus,
dass das Naturrecht dem Willen Gottes entspringt, und weist diesem in seinem
Systema eine zentrale Position zu. Damit ordnet er sich in den rechtsphilosophi-
schen Mainstream der Zeit ein – nur wenige radikale Denker wie etwa Thomas
Hobbes (1588–1679) oder der bald zu nennende Carlantonio Pilati versuchten,
das Naturrecht ausschlieĂźlich aus der menschlichen Vernunft heraus zu begrĂĽn-
den.
Kap. 1 behandelt die allgemeine Rechtstheorie : Der Mensch ist ein soziales Wesen, das
aufgrund der ihm innewohnenden Vernunft gar keine andere Wahl hat als nach natĂĽrli-
chen Gesetzen zu leben. Der Nachweis dieses Naturrechts ist zugleich auch ein Gottesbe-
weis. In der Praxis regelt das Naturrecht besonders den Umgang mit Nichtkatholiken und
schließt Lücken im Zivilrecht. Kap. 2 widmet sich dem Objekt der Gerechtigkeit, nämlich
den menschlichen Handlungen, sofern sie willentlich und wissentlich geschehen, und den
Faktoren, die zu ihrer moralischen Beurteilung nötig sind. Kap. 3 traktiert das positive
Recht und seine Einteilung, Kap. 4 die BegrĂĽndung der subjektiven Rechte bzw. die Her-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322