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982 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
Vannetti-
Biographien
Vita Ciceros ist kein Zufall, sondern setzt eine Tendenz fort, die sich bereits in der vorangehen-
den Epoche angedeutet hat (vgl. hier S. 779) : Was einen Mann erinnerungswürdig
macht, sind nun nicht mehr seine Frömmigkeit und christliche Tugend, sondern
seine geistigen Leistungen. (Bezeichnenderweise gilt das nicht fĂĽr Frauen : Wenn
sie zum Gegenstand biographischen Interesses werden, dann gerade aufgrund ihres
heiligmäßigen Lebens.)2 In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Nachrufe,
die in der Regel verstorbenen Mitgliedern der Agiati gelten. Insofern sie, was auf
einige von Clementino Vannetti und alle von Giovanni P. Beltrami verfassten Bei-
spiele zutrifft, in den Sitzungen der Accademia verlesen wurden, sind sie bereits im
Kapitel „Beredsamkeit“ behandelt worden (vgl. hier S. 948–952).
Für einige weitere lat. Biographien Vannettis – er hat auch eine Reihe italieni-
scher verfasst – ist eine Verlesung vor der Accademia nicht bezeugt. Zwei leiten Ge-
dichtausgaben von Giovanni Battista Graser und Giulio Turrati ein (vgl. hier S.Â
821,
655), eine dritte, 1787 in Verona publizierte (Ndr.: Opere, Bd. 7, 59–78), ist dem
Trentiner Maler Adamo da Chiusole gewidmet. Ihnen kann hier mit einer bloĂźen
Erwähnung Genüge getan werden, da sie im Wesentlichen demselben suetonischen
Schema wie die als Reden vorgetragenen Nachrufe folgen. Das gilt grundsätzlich
auch fĂĽr die 1779 in Siena erschienene Biographie des aus Venedig stammenden,
jung verstorbenen Theologen und Literaten Alessandro Zorzi SJ (1747–1779), die
Vannetti unmittelbar nach dessen Tod verfasste (Opere, Bd. 7, 91–124). Doch da
es sich hier um einen engen Freund handelt, ist die ihm gewidmete Lebensbe-
schreibung umfangreicher und uneingeschränkt enkomiastisch : Zorzis Charakter,
seine Lebensweise, seine literarischen Unternehmungen und nicht zuletzt sein Stil
werden rĂĽckhaltlos gepriesen.
Ă„hnliches gilt auch fĂĽr Vannettis einzige lat. Biographie einer historischen Per-
sönlichkeit, die kurze Cicero-Vita, mit der er seine 1777 in Rovereto erschienene
Ausgabe von 50 Cicerobriefen (vgl. hier S.Â
798) fĂĽr das dortige Gymnasium einlei-
tete (7–16 ; vgl. auch Opere, Bd. 7, 37–45). Cicero als Ausbund aller denkbaren Tu-
genden zu preisen, war im 18. Jh. – vor dem Schlag, den das 19. Jh. seiner morali-
schen Reputation versetzte – noch kein Problem und angesichts des pädagogischen
Verwendungszweckes der Anthologie geradezu geboten. DarĂĽber hinaus bereitet
es Vannetti ein offensichtliches VergnĂĽgen, das Vorbild in lat. Prosa schlechthin in
einem Stil zu preisen, den er diesem selbst abgelauscht hat. Zwar bedingt das Genus
2 Dismas Tuzer (vgl. hier S. 963–964) integriert in seine Chronik eine Kurzbiographie der Maria
von Mörl. Giovanni Pietro Beltrami schreibt 1840 eine Vita der Roveretaner Ekstatikerin Johanna
Maria vom Kreuz aus dem 17. Jh. (BCR, ms. 235 ; BCT, ms. 1185). Diese Texte werden hier nicht
näher besprochen, da in der nächsten Epoche mit Gaudentius Guggenbichlers großer Biographie
der Maria von Mörl das bei Weitem wichtigste Werk dieser Art im Tirol des 19. Jhs. ausführlich
behandelt wird (vgl. hier S. 1145–1148).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322