Page - 1017 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Image of the Page - 1017 -
Text of the Page - 1017 -
Theologie 1017
Michael Feichter
Manuale sacrum
Cloch (vgl. hier S. 996) verfasster Rundbrief vom 30. November 1792 veranschau-
licht, den Thun auch ins Italienische ĂĽbersetzt und von der Kanzel verlesen wissen
wollte (16). Das Schreiben ereifert sich durchgehend ĂĽber die gottlosen libertini
(„Freigeister“), die das Unheil in Frankreich zu verantworten hätten, schimpft über
die Deistarum […] impia secta (10 ; „gottlose Sekte […] der Deisten“) und nennt
die Revolution mit schneidender Ironie und pointiertem Oxymoron philosophicae
lucis, qua saeculum nostrum affusum est, tenebricosissimus exitus (13 ; „stockfinsteres
Ergebnis des philosophischen Lichtes, von dem unser Jahrhundert überströmt ist“).
Seine Priester ruft Thun mit Eph 6,11 zur Wachsamkeit und zum Kampf adversus
insidias diaboli (13 ; „gegen die Listen des Teufels“) auf.
Einer der Brixner Weggefährten des schon erwähnten Joseph Ambros Stapf, die
gemeinsam mit diesem das dortige Priesterseminar prägten, war Michael Feichter
(1766–1832) aus Mühlen in Taufers. Er wurde selbst in Brixen sowie am Innsbru-
cker Generalseminar ausgebildet, empfing 1790 die Priesterweihe und lehrte dann
in Brixen Exegese und orientalische Sprachen, bis ihn die Bayern bei der Auflösung
des Seminars 1807 wegen seiner streng kirchlichen Gesinnung nach Lienz verbann-
ten. 1815 durfte er zurĂĽckkehren, 1820 wurde er Konsistorialrat, 1823 erhielt er
seine Professur zurĂĽck, 1827 wurde er zum Regens des Brixner Seminars ernannt.
Besonders in der letztgenannten Funktion wurde er zu einer fĂĽr die junge Priester-
generation prägenden Gestalt.11 Er hob wie Stapf den Nexus zwischen Dogmatik
und Moral hervor und trug so zur Überwindung des aufklärerischen Geistes bei
(Albs 1941, 18–19 ; Innerhofer 1982, 173).
Der vir columbinae simplicitatis (Hurter 5, 1061 ; „Mann von der Einfalt einer
Taube“) wirkte durch seine Person nachhaltiger als durch seine Schriften, doch zu-
mindest sein Manuale sacrum ad usum sacerdotum dioecesis Brixinensis („Geistliches
Handbuch zum Gebrauch der Priester der Diözese Brixen“ ; Brixen 1811) war ein
einflussreiches Buch : Es wurde bis 1906 mehrmals nachgedruckt.12 Das im Wesent-
lichen nach den Sakramenten gegliederte Werk ist weitgehend technischer Natur
und regelt auf fast 300 Seiten detailliert geistliche Abläufe und Verrichtungen. An
einigen Stellen gewährt es interessante Einblicke in die moral- und pastoraltheologi-
sche Einstellung seines Verfassers. So betont Feichter etwa gegenüber dem aufkläre-
rischen Vertrauen in die menschliche Vernunft, Seelsorger hätten zum größten Teil
rudes (2 ; „Ungebildete“) zu betreuen, die ausführlicher, geduldiger Erklärungen be-
dĂĽrften (154). Da moralischer Rigorismus sie ĂĽberfordern und ihre moralische Ge-
neigtheit überhaupt gefährden könnte (Albs 1941, 19), empfiehlt er eine nur mäßige
Strenge : Die Beichtväter sollen eine via inter rigorem et laxitatem quasi media (35 ;
11 Gasser 1, 215–216 ; Baur 1975, 19–20 ; BBKL 20, 479–480 ; Gelmi 2007, 147–150.
12 Hier wird die zweite Auflage von 1827 herangezogen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322