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1024 Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848
… und ihre
Nebenwirkungen verfassen“. Diese Bestimmungen wurden nach dem Tod JosephsÂ
II. zwar von Kaiser
Leopold II. wieder teilweise zurückgenommen – an jeder Fakultät wurden einige
Gegenstände auf Lat. gelehrt und Lat. blieb schlussendlich bis 1824 die hauptsäch-
liche Unterrichtssprache an den österreichischen Universitäten –, doch kehrte man
zumindest an der Innsbrucker philosophischen Fakultät nicht mehr zum alten Usus
der gedruckten Disputationsschriften zurück. Dazu mag auch die 1786 dekretierte
neue Prüfungsordnung beigetragen haben, in der Joseph II. das stets als Propä-
deutikum für die „höheren“ Fakultäten (Theologie, Jus und Medizin) angesehene
Philosophiestudium weiter schwächte : Für den Besuch der höheren Fakultäten war
nun kein akademischer Grad in Philosophie mehr nötig, sondern nur kumulierte
Einzelzeugnisse über den Besuch von philosophischen Lehrveranstaltungen. Wer
freiwillig einen philosophischen Grad erwerben wollte, konnte nun einen Doktor
machen – der ohnehin oft synonym mit dem Doktortitel gebrauchte Magisterti-
tel wurde abgeschafft. Dazu war aber keine besondere wissenschaftliche Qualifi-
kation und keine schriftliche Abhandlung vorgesehen, sondern eine allgemeinbil-
dende Prüfung aus drei Gebieten, etwa in der Art einer heutigen Matura. Diese
Prüfungsordnung blieb im Wesentlichen bis zur Neuordnung des philosophischen
Doktorats 1872 bestehen. Erst damals wurde u.a. auch zwingend eine schriftli-
che wissenschaftliche Abhandlung von den Kandidaten gefordert, die in etwa einer
heutigen Dissertation entsprach (vgl. Meister 1958, 49 und 114–115 ; Engelbrecht
1982–1988, Bd. 3, 227–228).
Die Standardwerke zum österreichischen Studienwesen (z.B. Engelbrecht
1982–1988 ; Meister 1958, v.a. 38–40) beschäftigen sich nicht mit der Praxis uni-
versitärer Dissertationen und geben also auch keine Auskunft darüber, wie deren
praktisches Schicksal mit der Theorie der josephinischen Reformen verknüpft ist.
Tatsächlich ist diese Praxis in einem ungeregelten Raum angesiedelt, über den sich
nur durch empirische Untersuchungen ein Überblick gewinnen lässt. Verboten war
eine schriftliche Abhandlung durch die neue Prüfungsordnung von 1786 ja nicht,
und einen Zwang zum Verfassen von Dissertationen gab es vorher auch nicht. Es
wäre also theoretisch möglich gewesen, dass weiterhin deutsche – und nach der
teilweisen Wiedereinführung des Lat. als universitäre Unterrichtssprache auch lat.
– Dissertationen geschrieben werden. Zur Beantwortung der Frage, warum das
in der Praxis nicht geschah, sei hier folgende Hypothese gewagt : Eine gedruckte
Dissertation war traditionell etwas Repräsentatives und ein Statussymbol sowohl
für den Anwärter auf den akademischen Grad als auch für den der Disputation
vorsitzenden Professor, der ja in der Regel der Verfasser der als Festgabe verstan-
denen gedruckten Disputationsschrift war. Ein solcher repräsentativer Charakter
war aber nach den genannten Reformen nicht gegeben. Zuerst verhinderte ihn die
‚gewöhnliche‘ deutsche Sprache, dann der gesunkene Status eines Abschlusses des
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322