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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
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Philosophie und Naturwissenschaft 1039 ‚Schulstunden‘ eine querelle des anciens et des modernes gegen Kant sche Methode unterrichtet, also die Schüler durch gezielte Fragen statt durch Fron- talunterricht zur Erkenntnis geführt zu haben. Dieser Erkenntnisprozess sei nicht zuletzt auch deshalb wertvoll, weil er die Schüler ganz besonders motiviere und zur Bewunderung der Wahrheit ansporne. In der Seelenlehre von 1829 werden dann in den dialogischen Passagen erstmals auch die Rollen von Lehrer und Schüler formal bezeichnet, und zwar durch die Initialen M und D, die zweifellos für magister („Lehrer“) und discipulus („Schüler“) stehen.10 Die Unterrichtssituation ist nun bisweilen so konkret, dass man von einer regelrechten ‚Schulstunde‘ sprechen kann, so z.B. in §  21, wo der Aufbau der Welt aus Zahlen und Zahlenverhältnissen diskutiert wird und der Lehrer dem Schüler u.a. die Lektüre von Augustinus aufträgt (vgl. weitere ‚Schulstunden‘ in §§  75–97). Lechleitners didaktisches Anliegen war allerdings kein bildungsimmanenter Selbstzweck. Seine Werke waren zwar v.a. für die studierende Jugend gedacht, aber nicht als Schulbuch, sondern als intellektuelles Rüstzeug gegen Zeittendenzen, die er als dekadent und gerade für die Jugend verderblich ansah. Der unmittelbare Stein des Anstoßes war die neue deutsche Philosophie seit Kant. Wir müssen uns gegenwärtig halten, dass die Veröffentlichung von Kants Kritiken in Lechleitners Studienzeit fiel und dass er ein Zeitgenosse der auf Kant folgenden Generation der deutschen Idealisten war : Johann Gottlieb Fichte lebte von 1762 bis 1814, Georg Wilhelm Friedrich Hegel von 1770 bis 1831, Friedrich Wilhelm Schelling von 1775 bis 1854. Die allen diesen Philosophen gemeinsame Problematisierung des Subjekts und seiner Erkenntnisfähigkeit war für den von einem gottgegebenen objektiven Sein und Bewusstsein überzeugten Lechleitner ein Skandal, der dem Relativismus aller Werte Tür und Tor öffnete. Im Übrigen stammten die ‚modernen‘ deutschen Philosophen alle aus protestantischem Milieu, und obwohl konfessionelle Aspekte in Lechleitners Werk keine besondere Rolle spielen, ist der Zusammenstoß zwi- schen ‚neuer‘ und ‚alter‘ Philosophie unterschwellig auch einer zwischen Protestan- tismus und Katholizismus. Dass dieser Gesichtspunkt zumindest in der Diskussion über Lechleitner zum Tragen kommt, wird in den unten noch zu besprechenden Äußerungen von Joseph Görres deutlich. Ein expliziter Angriff auf Kant findet sich am Beginn der Philosophia practica (§  2) : Während sich Protestanten und Katholiken vor Kant einig gewesen seien, dass die Moralprinzipien letztlich in Gott begründet seien, setze Kant in uner- hörter Weise den Menschen als „Selbst-Zweck“ (wie Lechleitner selbst die von ihm gebrauchte Wendung sui ipsius finis übersetzt). Damit sei der Weg für die ver- 10 Hier lehnt sich Lechleitner vielleicht an Ciceros Tuskulanen an, deren Dialogsprecher in der Über- lieferung durch die Initialen M (für magister oder „Marcus“ nach Ciceros Vornamen) und A (für adulescens, „Jüngling“, oder auditor, „Hörer“) gekennzeichnet wurden.
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
TYROLIS LATINA
Subtitle
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Volume
2
Authors
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Editor
Karlheinz Töchterle
Location
Wien
Date
2012
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
728
Keywords
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
  2. Dichtung (Martin Korenjak) 620
  3. Theater (Stefan Tilg) 660
  4. Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
  5. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
  6. Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
  7. Brief (Wolfgang Kofler) 788
  8. Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
  9. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
  10. Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
  11. Medizin (Lukas Oberrauch) 862
  12. Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
  13. Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
  14. Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
  15. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
  16. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
  17. Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
  18. Brief (Wolfgang Kofler) 989
  19. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
  20. Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
  21. Medizin (Lav Šubarić) 1046
  22. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
  23. Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
  24. Dichtung (Stefan Tilg) 1079
  25. Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
  26. Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
  27. Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
  28. Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
  29. Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
  30. Index nominum (Johanna Luggin) 1271
  31. Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
  32. Index rerum (Johanna Luggin) 1310
  33. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322
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