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66 Ausgehend vom Beispiel der britisch-österreichischen Austauschbeziehun-
gen können wir annehmen, dass der überwiegende Teil der Gastaufenthalte in
Österreich während des Untersuchungszeitraums auf diese Weise stattgefunden
hat. Die wissenschaftlichen Impulse, die davon ausgingen, waren angesichts der
kurzen Aufenthaltsdauer und des Überwiegens repräsentativer Aufgaben wohl
eher bescheiden. Außerdem war in dem ministeriell gesteuerten Austauschverfah-
ren ein kompetitiv organisierter Austausch von WissenschaftlerInnen bezüglich
zweier relevanter Punkte nicht verwirklicht: Es gab keine Auswahlkriterien, und es
fand keine öffentliche Ausschreibung statt.
Diese Punkte bildeten aber gerade den programmatischen Kern des Fulbright
Program. Damit bot es einen ganz anderen, neuen Ansatz für die Organisation des
wissenschaftlichen Austauschs. Die in den jährlichen Proposals definierten Pro-
jekte für amerikanische Visiting Lecturers und Research Scholars waren Stellen,
die an nahezu allen amerikanischen Universitäten öffentlich ausgeschrieben wur-
den und um die sich alle qualifizierten Personen in den USA bewerben konnten.
Die Auswahl zur Besetzung der Positionen wurde überwiegend auf Basis der wis-
senschaftlichen Qualifikation getroffen.38
Debatten über US-Visiting Lecturers
Als die Fulbright Commission am 9. Juli 1953 zusammentrat, war dies keine
gewöhnliche Sitzung. Schon das Datum war auffällig: Außerhalb des akademischen
Lehrbetriebs traf man sich sonst nicht. Vier weitere, hochrangige Vertreter öster-
reichischer Hochschulen waren der Sondersitzung beigezogen. Diese im Protokoll
als „Consultants“ angeführten Professoren stammten aus zwei geisteswissenschaft-
lichen Fächern sowie der Medizin und der Technikwissenschaft.39 Vorbereitet hatte
man das Treffen, wie es in der vorhergehenden Sitzung hieß, wegen der
„difficulties caused by delays in the placement of American candidates
in the lecturer category at Austrian institutions of higher learning.“ Und
weiter: „The difficulties are greatest in the case of candidates who special-
ize in fields in which there is little interest on the part of both students and
faculties, or whose command of German is inadequate.“40
Was war das Problem? Da statt des bekannten Austauschschemas, das über per-
sönliche Beziehungen funktionierte, ein Verfahren eingeführt worden war, in dem
Positionen definiert und die wissenschaftliche Qualifikation der BewerberInnen
bewertet wurde, war unter den österreichischen Hochschulprofessoren das Inter-
esse am Austauschprogramm schnell gegen null gesunken. Wie Kommissionsmit-
glied Wilhelm Marinelli festhielt:
„[…] at the initiation of the Fulbright Program, Austrian academic circles
were hoping that they could invite prominent American scholars to fill real
needs in this country.“41
Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Frühgeschichte des Fulbright Program in Österreich
- Untertitel
- Transatlantische „Fühlungnahme auf dem Gebiete der Erziehung“
- Autor
- Thomas König
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-7065-5088-8
- Abmessungen
- 15.8 x 23.9 cm
- Seiten
- 190
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Geleitwort 7
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 13
- 2. Die Institutionalisierung des Fulbright Program in Österreich 23
- 3. Politische Gestaltungsmöglichkeiten 42
- 4. Wissenschaftliche Gäste zwischen Repräsentation und Wissenstransfer 56
- 5. Auswahl, Platzierung und Verwendung der wissenschaftlichen Gäste 73
- 6. Beschränkte Wirkung: Social Sciences und American Studies 97
- 7. Schluss 117