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Wer ist schuldig?
Ter Mann tut, was er !uill, »nd nennt's Galan-
terie,
Gehn wir. spazieren nnd die Schule ist geendet,
So sticht er, geht mir nicht vom Flecke und ver-
wendet
Kein Ange, wie die «leinen scheu und jnngferlich
Voriiberlrippeln, ruft wohl cincs gar zn sick),
Ein Kind, so eins von dreizehn oder vierzehn
Jahren,
Und tlopst es ans die Nacken, spricht, er hab'
erfahren,
Es sei, so brav und fromm, und faßt es unterm
Tasz mir vor Tciiam nnd Ärger beide Wangen
glühn;
Schon öfters überrascht' ich ihn mit Tormanns
Ieltchcn,
Sie ist nicht schön, nicht einmal hübsch, allein
ein Mädchen,
Ich bin nicht eitel, doch hielt mancher mich für
schön,
Und er schwatzt nur mit ihr und scheint mich
Allein, warnm mit seiner fehler Zahl mich
analen!
Er ist ein Maun! Wer mag den Sand des
Meeres zählen?
<2ie seht sich in die Laube und strickt,!
Nas Brantgemach gleicht Eircens zauberischem
Haus i
Iwcitcr Auftritt.
Gärtner
Noch niemand hier! — hier ist der Ort! — Und
hier die Vase!
Nun schnell, eh' jemand naht.
<3r schiebt einen Gaitcnstuh! »n daj Piedestal, steint hinauf
und steck! die Hand in die «ase,!
Marie.
Was raschelt dort im Grase?
heda!
Gärtnrr.
Die gnad'ge Fran! Es ist um mich geschehn!
Marie.
Zeigt! Was verbergt Ihr?
Gärtner.
Nichts, nichts!
Maric.
Gebt! ich will es sehn!
Bekennt nnd reizt mich länger nicht. — .Fehlt
Ench die Sprache?
Gärtner st^ Icüc),
Ich wollt', es wäre so, so käm' ich ans der Sache, Marie.
Ich seh', es ist ein Briefchen, Gebt! — ha,
welch' Verdacht
In der bewegten Vrnst mit einemmal erwacht!
Befehlen könnt' ich, doch feht, hier sind zwei
Tukatcn.
Toch nun der Brief!
Gärtner.
Was tn' ich?
hier! ^ Allein verraten
Sie mich dem gnäd'gen Herrn, so jagt er mich
davon!
Maric.
Gärtner.
Ach, ich schweige schon.
Marie.
Was werd' ich sehn?
<Tie besieht den Vricf,»
Nas Äußre ganz des Schreibers
Spiegel!(5in
Blatt Papier und kanm gefaltet, ohne Siegel,
2 U. II. — holl! ä Monfieur holl! — Monfienr?
- Wie zart!
Ta klang's weit inniger: an meinen Eduard.
„Wenn nnser Argus schläft, schleich' ich mich in
Nechts in der dunkeln Lanbe magst dn mich er»
warten."
Ist dies ein Brief? Sind diefes Worte? Himmel,
kaum
Besinn' ich mich. Mir dünkt dies alles nur ein
So ist mit ciiiemmal der süße Wahn verschwun«
den,
Geliebt zu sein! Der Wahn der mich in schweren
Stunden
Beim Leichtsinn meines Mannes immer aufrecht
hielt,
Tich liebt er, dacht' ich, wenn er auch mit andern
spielt. -
<Hum Gärtncr,!
Bekennt!
Gärtner.
Ach, gnäd'ge Frau!
Marie,
Wer gab Ench diesen Brief?
Gärtner.
Ich — fand ihn — als ich vorhin in die Vase
ll"ff.
Marir.
Tu lügst!
Gärtner.
Erbarmen, Guäd'ge —
Marie.
^pare deine Künste!
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik