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„Fördert euch," inahnt sie, die Mägde,
„Daß wir unser Wcrl vollenden,
,^'Iin mein Herr von seinem Zuge,
Gibt es anderlei zu tun,"
„Kommt er bald?" die Mägde sengen,
„Briefe hab' ich nicht," verseht sie,
„Krieg gönnt Weile nicht zu schreiben,
Noch ich rechnete mir's aus:
Tage bis zur Greuze,
Nort steht Ocla mit dem Heere,
Dann — ich weiß es wohl, der Nasche
Kriegt nicht lang und trifft mit Macht,
Mancher hat im Volk wohl Kunde
Von dein Kriege, von dem Heere,
Sichres hören wir vielleicht,
Laute Stimmen vor den Pforte,,,
Ach! er naht wohl schon, der König!
Schnell hinab uud sagt mir's an!"
Hin zur Türe eilt dic Zofe,
Na eröffnen sich die Flügel,
Tritt der Bischof Adalbcrt,
„Naht mein Gatte?" ruft die Mrstin,
„Ja, er naht, allein vorerst noch,"
^nultt der Hirte, „harrt ein wenig,
Hört sein Wort aus meinem Mund.
Nicht mehr dnldct's sein Gewissen,
Naß mit Luch, so die Gelübde
Einst getan im Trierkloster,
Er >,n'>!i>irr' im Eheband:
Drum zur Macht der hcil'gen Kirche,
Dn' da bindet nnd da löset,
Ob das Ärgernis sie sühne,
hat er flehend sich gewandt.
Und die Kirche hat gelöset,
Was mit Süude war gebunden,
Gibt Euch wieder dem Gelübde,
Ihm dic Freiheit neuer Wahl,
Uud schon naht er, ihm zur Seite
Knnigunde, Belas Nichte,
D^ erlauchte,i llngarkönigs;
Weicht iu Frieden, denn Ihr müßt!"
Längst geendet hat der Redner,
Und die Fürstin steht nud horcht noch.
Jetzt neigt sie das Haupt und schweigend
Geht sie 'leis' der Türe zu.
Nach der Klinke sucht fic lange;
Uni zu öffnen eilt die Zofe,
Cieht sie es iu Tränen schwimme,,,
4,
horch, Trommeten, Trommeln schallen:
„Hoch der Köuig! Heil dem Sieger! heil der Braut, der Uugarntochter;
Kunigunde, Ottolar!"
Und durch Pragas weite Gassen
Wälzt sich schallend das Gepränge,
Oitokarn, den Herrn, umgebend,
Hoch zu Noß mit seiner Braut,
Auf tun sich des Schlosses Pforten,
Auf die Säle, die Gemacher,
In der Väter alte .Hallen
Tritt der Sohn — der Alte nicht!
Freudeglühend blickt er um sich.
Ans dem Thron, der ihm bereitet,
Freudcglühcnd so wie er.
Still ist es nun recht geworden,
Und der Fürst steht auf zu reden;
Da, Drommetenklang von neuem,
Pferdgcstampf in lantem Hof,
Ostreichs Stand' und die von Steicr
Sind gezogen dnrch die Pforten,
Bringend ihres Landes Huld'gung
Ihres Landes neuem .Herrn,
Anf des Schlosses breiten Stufen
Schallen nahend ihre Tritte;
Kniet ihr Führer und beginnt;
„Heil dein König, Böhmens König;
Heil dein Kaiser Ottokai!"
Kaiser? Alles steht und lanschet.
Klar wird bald des Rätsels Deutung,
Deun von Deutschlands Wahlverciue
Trott'» Abgesandte ein.
Und — „Des heil'gen röm'schcn Reiches
Teutschen Volts gemeine Fürsten
Nnfen," lantet ihre Botschaft,
„Böhmens Herrn ans Deutschlands Thron/
Da faßt Inbcl alle Böh„u'n:
„Heil dem König! Heil dem Kaiser!"
Doch der Fürst springt auf vom Sitze
Und steht da und schaut und sinnt.
Tiefes Schweigen herrscht im Saale,
Endlich spricht der Wahlgesandtc:
Und gewandt zu seinem Kanzler
Spricht der Fürst: „Bedeutet diese,
Daß sie harren, bis uns gut dünkt,
Iu cutscheiden ihr Gesuch,
Deutschland war uns ost entgegen
Äml, so groß sind unsre Ncichc,
Fast zu groß für einen Lenker;
Doch vielleicht — er harre nur!"
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik