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Aphorismen und Sprüche. 159
Nie Kritiker, will sagen, die neuen,
Vergleich' ich den Papageien:
Sie haben drei oder vier Worte,
Tie wiederholen sie an jedem Orte;
Noinantisch, klassisch und modern.
Scheint schon ein Urteil diesen Herrn,
Und sie übersehen in stolzem Mut
Tic wahren Gattungen: schlecht und gut.
Tie neuen Teutschen.
Ob ihr weiter gebracht die Poesie? - -
Nie Frage ist etwas verwickelt,
^rweitert habt ihr wirklich sie,
Ta iyr die Prosa dräu gcsniclelt.
Hie Kunst.
Man hört vom Fortschritt der ncncn Zeit,
Sie ist auch vom alten Wege weit!
Sonst wär' sie vielleicht nur seitwärts gegangen.
Was gemessen, führt sie weiter,
Und was maßlos, adelt sie,
Nas Nenkcn sucht sich nach außen Naum,
Im Fühlen sind wir daheim.
Und all unseres Wissens stolzer Baum
hat im Herzen den furchtbaren Keim,
«pclulatiou.
Ihr, meine freunde vom deutschen Land,
Er durchdringt das Wahre in all seiner Veite
Uno — tummt heraus auf der andern Seite.
Verständ«ichlei<.
Gar sehr veisllnedeu ist des Lesers Necht,
^eisi^tt er deine nicht, so sind die Verse schlecht,
Wenn uieinc — nun! hat er sie nicht verstanden.
Tel Profunde Tichter.
Tu dliikst und denkst! Wir wollen gern dir's
Noch gib dein Neuken nicht, nein, gib Gedanken!
Tel radilale Dichter.
Wer Liebe singt und Wein,
Mag immer Weiberfeind und Wassertriukcr sein,
"v.'l singi, wa^ allon nicht mW leinen kräutt,
Nem sei die Überzeugung vornherein geschenkt.
Noch wer, was zweifelhaft, ob Glück es bringt,
Ner ist ein Schuft, fühlt, was er singt, ei nicht
im eignen Herzen Ter belehrte Tichter.
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Tic Festung Ehre, die er schwor
Zn halten bis aufs Leben,
Äus Hunger sich ergeben.
Nachahmer schilt das Ausland un5
Und gibt uns spöttisch harte Namen.
Glücklich der Künstler, der Bildung hat,
Mit einer Klausel indessen:
Wenn cs !ommt zur schaffenden Tat,
Muß er ans seine Bildung vergessen.
Tcn .Himmel hätte das Talent hienicden schon
auf Erden,
Könnt' zchen Jahr uach seinem Tod es erst ge»
Ncn Fortschritt der Kriegskunst neuerer Zeit
Älmit nach die Poesie:
Tic Stärke nusores poetischen Heers
Besteht aus — Infanterie,
Schreib etwa nicht etwas, schreib über.
Schreib über etwas, mein Lieber,
Um sich über andre zu schu,
Tie etwas zu machen verstchn.
Laßt mich mit enrem Publikum
lind enrcn gebildeten Leuteu,
Soust waren nur immer die Tummcn dnnu:!,
Jetzt sind es auch die Gescheiten,
Es will jetzt ncn sein jeder Tropf
lind kann nichts finden, trotz allen Geschreies:
Ta stellt er das Alte auf den Kopf
Tcr 7^l,ler der Teutfchcn ist immer gewesen.
Wie rühmlich man sie sonst anch nennt,
Taß sie versuchen, da zu lesen,
Nie Poesie und die Theologie
Sind eben beide Psinntasie;
Tic andre spielt mit den vorhandenen alten.
Solang die Ideen geordnet und stät,
Zeugt von .Kraft wohl die Originalität,'
Toch sind sie einmal gestört und im Fluß,
Ist originell jeder Hasenfuß,
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik