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I, Zur deutschen Literatur,
schenuatur, mit dem allgemeine»
gesM übereinst,»!,,,ende Art geschehen müsse,
d,, , üb,ettiv >val>r bleibt, N.,enn auch die ge-
trau,»te, objettive Valirlieit längst verloren ge-
gangen wäre, fo daß also Meinungen, die immer
da ivaren, die, vermöge eines nicht zn deduzieren
den !',r!i!id',nge>> der menschlichen Natur, auch
immer da sei,i werden, ungeachtet ihres
Schwankenden, für die Poesie brauchbarer f,»d,
al> sogeua»!!!e Wahrheiten, unangreifbar ge-
lagert unter den >!a»onen eines philofophifchcn
.'viiaaui! ixn Calderon, huudertmal hat
er den katholifchc» Aberglauben geblamcht
(der nichts ist, a>o ein niaoüertcr heidnischer
oder, tiirzweg, »>e»sch!icher, tan,n einmal den
('Na nben. Und doch erschüttert dieser Aber-
glaube im Gedicht Meuschcn, die ihu «erachten
in der Religion, Erklärt nur das, ihr alten
Norddeutschen!
1822,
snl, I einer unbestimmten Sehnsucht, das
der ersteren.eigen ist und lütterer bemalie ganz
sühls ist ein Tätigkeitstr ieb ohne Wir
tuugslrcis, So lange es iwch einen 3taat
gab oder vielinebr eiu Volk, hatten alle ^abig
zu Zeit eiittrelende, außerordentliche vorfalle
die beste Tängleit des Geistes nach innen. Wer
aber einwal d,e Züßigteit des Ungang^ mit sich
selbst genossen bat, kehrt nicht inebr ',»riick
Wie der sich selbst Veflcckeude zuletzt die 'Iveiber
slieltt, sliebt der siil, selbst ^esttianende die Welt,
In seinen, Innern ist er Herr und >tönig
quält, ist doä! !ve»igsle,,v sein Gedanke, sein
^evdanmtter erniedrigt, so ist ja doch der boch
stellende Verdammende wieder er selbst, 3o
Nbt er in einer eigenen Welt, nnwideriprochen,
denlend, Tiese^ snsie Vanillen fiidrt nnn end
lich u>in eigentlichen, nninittelbar lebten Quell
dr i i i te
Mit eiuer unendlich erhöhteu Reizbarkeit
!uiben die sogenannten gewemen <^>e,i>,sse il,r
^!n-,i,»eiideo verloren, nnd der Mensll! sindct
,',»le,u nichts niebr, nias ihn befriedigt, i7bne
Tattrait uoll Tatendurst, »oll Neiz zum Ge«
uuß ohne 2iuu dafür ^ uoll Gedanken ohne
Mollen, das ist der Zustand eines solchen Men-
schen, einer solchen Zeit, daher jene Tehnsncht nach ctwa^ Unbestimmtem, dem man zu liicl
»!ne antut, weuu man es anfs Religiöse be-
zieht, da es eigentlich nichts ist als die Sehn-
sucht nach einem nenen Nciz, der imstande wäre,
den Überreifen zu reizeu, Tie Tcn!scl,en appli
gieren sich alle zehn ^ah>e ein neues Zugpflaster
nnd werden darin fo lauge fortfahren, bis sie
ein cuiHere^ praktisches Interesse be!0mi,,en
eb.'n n'ei! sie praktische Inter>ssen haben, Tahcr
weh jedem Volte, das sich mit der deutschen Lite-
ratur befaßt. Sie wird ihre eigcue verschlingen,
sein. Die deutsche Literatur ist die des gegen-
wärtigen Iabrhnuderts, Schon ist die englisch,','
daoon angesteckt, die sran-,bs,sche im Vegrisfe,
zu folgen," Tic deutfchc Literatur entnervt. Für
nus ist sie die beste, weil wir teiue auderc haben
tbnnen- aber jeder fremde soll sich davor hüten.
>'>ebt aber ein den Teutschen rein praktisches
Es ist ciuc traurige Zeit gekommeu für die
der die slupse ui Teutschland ergriffen hat,
drängt alle, die den Narrcntanz nicht mitmachen
wolleu, so sehr auf die Seite des kalten, sichteu-
daß diejenigen, die den Unsiuu jenes Strebens
crkeuueu, statt die richtige Mitte zu halten, leicht
werden, Tas ist die Geschichte aller menschlichen
^Neuigkeiten uon jeher gewesen,
1826,
Taß die Tentschen diesem schaukelnden
Trau,neu, dieser bild- nnd begriffldsen Ähnnngs»
fähigteit einen so hohe» Wert beilegen, ist eben
da>5 llngliick dieser Nation, Naher kommt es,
daß sie sich so gerne jeden, ^rrnun in die Arme
werfe», wenn er nnr irgend einen >>ilt da,;,,-
bieten scheint, an den sie jenes flattern)?, »er-
worrene Gewebe anknüpfen können, Taher komint
es, daß von zehii^ zn zel>n Hainen die ganze
Nation mit einem ^chl^ge ,l,r geistiges Glaichens-
be!e>,ntnis ändert und die Götzen des gestrige,!
3age^ ^chellmg I,en!e ,vic Schatten von Ver-
ivürdigend! Sie glauben, dao sei etlvas ihrer
ihueu die Knaben endlich Älänner, Ich spreche
hier nicht alo einer, dem dieser dumpf tränniende
Zustand fremd ist, denn er ist der meine. Aber
ich erkenne wenigstens, daß man sich nus ihm
herausarbeiten muß, weun etwas geleistet werben
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik