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232 ,V. Studien,
Gervinus ,,icht ein, ?as ,ü,il!>!, iveil er von
der Forni leine Porsteltnng hat und sie uur in
ihrer Übertreibung gelvahr >vird, ^lü» ist die
Poesie lediglich ei» Mittel, seine Ge)anten und
Meinungen ai!S',!!!pleche!I, zu niinen, zn be
lehren, volkstümliche und reclnscliasiene Gesin«
nnngei, -,,! erivecke,, ünd fortzupflanzen,
wirllich in ilirein Anfange, vor Erfindung der
Prosa nämlich, Seit diesem lel.tten Ereignisse
aber l,at man das begriffsmäßig ^^alire, Be
Ielne,,de, Eibauende, init eiiieni Worte! alles,
ivas dem Bednrfnisse angehört, ibr, der Prosa,
iiberlassen und fnr die Poesie das Gebiet des
Gefühls und der Phantasie in Anspruch ge-
nommen, (5s gibt etwas, das man das ^chöne
heißt, tan» ich Herrn Gervinns versichern, Wenn
nun aber ein stuckdürrer, lederner Skribent in
einer gräßlichen Tissertationsprosa die Auge
legenheiten des Gemittes und der Phantasie vor
den Hiichterstnhl des Militarismus oder 3o;ia
lisniiis schleppt, so ist das dic ekelhafteste >'>e
Tamit sei nicht gefaxt, das, es .^errn ^»erviiins
an einer gewissen Vegeislernng fehlt, N'elche
immer elwas Poetisches hat, Ader Archimedes
war anch begeistert, als er im Bade 1^
der spezifischen Tchwere gesunde,i hatte nnd
nun uaclt, >vie ein Veriiictter, durch die 3traßc»
von ^inalu^ lief, er dlieh aber nich!odesto>ve,',iger
^ede ^Wissenschaft hat ihre Begeisterung als ge-
steigerten Zustand', iu der Poesie aber ist sie
zugleich der ganze Umfang des Objektes: der
Inhalt, Tiefer angelernte Enthusiasmus, dieser
Mielpserdgalopp geht »un durch das ganze
Elreben des Herrn Germ'nns, Man kann wohl
von ihm uehanpten, dasj er für die Wissenschaft
ebenso verdorben ist, als sür die sinnst. Indes
Nacl'weisnng der Knusteutwicklung mit der^lngst
lichkeit eines Pedanten, Tie Fortschritte der
5innst sind von oeu Talenten abhängig nnd nicht
von den ^eltt'egebeuheiien, Goethe wäre der
selbe gros'.e lichter geioorden, ivenn es auch nie
einen Friedrich den Grohcu gab, und die frmi.
',0j>i>l^ ^ievolntion, die doch drastisch genug war,
dic erstere strebt nach Allseiligieü, gleich der Ver-
nuuft, und die letztere ist uud soll einseitig sein,
wie das Gefühl, ^ie isoliert ihren »>iegeustn»d,
und statt ihn nach seinem Verhältnisse zu den
übrigen Tingcn zu beurteilen, macht sie ihn zum
Maßstab feiiier selbst, Deshalb ist Homer großer
a>s Schiller, uud wem es uni volle Poesie zu
tnü ist, der wird sich immer uorzugsweise cm
die früheren, minder kultivierten feiten wenden
müssen.
Wenn Herrn Geroinus' Bncl! demungeachtet
so viel Anklang in Teiitschland gefnnden hat, f9 Vermischung immer weiter >>. !>>!,,v,,-> nnd da
träumt, wo es denleii, >,,,!> da denlt, wo es
>>INe, ^voligang ^ie>!^!, ein ale,cl,eS
i, bat ja auch seine Periode g.'h,U'l, wo
er üiclu verlacht wur>-,
Schluß gib! Herr »''>e>v!!,,,s den jeltt
lebenden Tichler,, den Nat, durcl, >,i,,s>i>i ,^,,>,,e
ilire poel,scl>e,i Aibene,, e,,< ^,sl>'>>,,, ^> ,,!
möglich, dasi die ^e l t d,i>>ei ,!!l!u cuel verloren
der Nat is! aber l,art. ?enu erstens sollte Herr
^>ervinns aus seinem eigenen Bciipiele erlei,,,,,,,
wie schwer es ist, die ^chreiblünst ,;n zi,gelu,
selbst in Tingen, denen man mcht ge,vachse,, isti
dann hätte ich eme!! >^^ie,!i'0!!>>'!,,,, ',,, ,,, ,>! ,!
Ävie, wenn sämtliche >lu,,sivw>osopheu, >llli,sl>
llistoriler, nnd wie die Forlschrittsapusle! l,^,,,,
mögen, die aus '^ei-,>ven!n,,g, i,i ihrem eigenen
sü.I'len, sii,is',ig ^a>,ve !a,,g :1!,ihe zn I,a!!e,,?
Ich glaube >,,>>,ligiie^s voraussage,! zil dinien,
daß der zerstampfte Boden wieder von !i>'i,>',i,
grünen nnd Blülen der Poesie hervortreiben
würde, die, wenn auch nicht vom feinsten Aroma,
doch immer beitragen würden, der von den
gepriesen worden sind; der ^iefnblsausdrnck einer,
fremden ^leit lauu immer nnr mit Abstraktion
genossen iverdeu, we.S l,atürlich nnr die Sache
wemger ist, Tie '.u,'aise, in, guten >2,uue, lvird
doch uur von demjenigen angeregt, worin sich
ihre e,gene näs!,ste Einpnnduncislveise anssvricht
uud verklärt, Tic Zeit, die versäumt, ihre
Sollte übrigens jemand sich dieses Urteils
!'>>v,,s,i worden sein nnd schon der Znsatz
')> a ti o n al lileratur aus dem 3,le! seines Vnches
diesen kulturgeschichtliche» Standpuutt andeute,,,
so mag er nur wissen, daß er sich eine der ab-
strakteste,i Aufgabe» gestellt hat, — Eine "','
zweifelhaften Wert; aber eine ztlassifikation der
Blumen aus demselben ^ieiichi^m!!!,', wodurch
die Kamille über die Nose zu stehen käme, wäre
denn doch gar zu absurd.
Nichi leicht ist mir bei allem unleugbaren
Geist und Verdienst etwas so unerträglich ge
worden, als diese Geschichte dec deutschen ^,le
ratur von Gervinus, Nie geistige Ävelt wird da,
als ein vollkommenes Gegeubild der körperlichen,
Kohäsion, und was weiß ich, nnterworie,, ^ alles,
was kommt, mußte so kommen- der Willkür, der
Ttinimuug, dem Genie, der ^anne ist lein ^piel
ran in gelassen, bis aufs Blut lvird alles erklärt.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik