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2. Zur spanischen Literatur. 265
geschlagenem Haupte, Der König heißt ihn,
das Beispiel als Warnung für sich hinzunehmen,
wao srncr tauin zu bedürfen scheint, da er noch
jetzt den König nicht zn tadeln wagt und voll
^hrsurcht und Ergebenheit ist, wie früher.
Im dritten beschließt er, heinilich nach Lissa-
bon zu gehen, um seine geliebte Moira zu
den er beschenkt und der ihm dafür schriftlich sein
Üoroskop stellt. In Lissabon unter den Fenstern
Touua Elvircns tauscht er Briefe mit ihr aus,
Horoskop des 3lnuenten an die herabgelassene
Schnur bindet, Dieses, das die Prophezeiung
enthalt, haß er König sein werde, fällt nnglück-
^im touimt die schönste Szene des Stückes, Der
>.vr',og lion Visco Hat sich, um Elviras Brief zu
lese», an eine Lampe gestellt, die bei einem
üru^ifire brennt. Indem er sich bemültt, du'
Vorte zu entziffern, ertönt ein Getöse von
«etten und gedämpften Troni^cten, dem bald
daranf eine einzelne Weiberstimme folgt, die
den ganzen Verlauf von Viseos Schicksal singt
und zuletzt die Warnung hinzufügt, auf seiner
Hut zu seiu. Wie Lope de Vcga überhaupt das
Wunderbare gern nach und nach einführt, nu'int
der herzog: das werde wohl ein Frauenzimmer
sein, das bei ihrer Arbeit wacht, Ta crfcheint
mahnt er ihn, sich vor dem Könige zu hüten.
Er versucht, zn entfliehen, wird aber aufge-
fangen, und nachdem der König vergebens alle
zu töteu, ersticht er ihn endlich felbst. Zuletzt
lomnit die Nachricht, daß des Herzogs Knappe
den Verräter Don Egas auf der Straße gc»
Ich habe das Stück historisch genannt, inso-
fern es mehr eine Begebenheit als eine Hand-
lung enthält, Der herzog von Visco tut eigent-
lich nichts, um sein Schicksal herbeizuziehen oder
abzuhalten. Nie Grausamkeit des Königs, das
Schicksal der vier Brüder, Viscos Unglück stehen
vereinzelt da uud werden uur durch das Er-
eignis zusammengehalten, Ja man kann sich
»'isie Mord nicht einmal ein Wort der Miß
l illigung entlockte. Aber wie es nun immer sei,
, ,og von Viseo lebte einmal als unschuldig
^rniordeter im Munde des Volkes, und als
solchen, der sich nicht, selbst mit einem Worte
gegen den König verging, hat ihn Lopc de Vega
ivcht, auch wo sie irren, Ich lounue uoch einmal
auf d^n äuquL äs Visen zurück, weil ich Lopc
de Vega nicht gerne llurecht tnn möchte. Ihm
fehlt das Absichtliche, welches aber gerade das
ist, was die Handlung von der Begebenheit
»utcrscheidet, Niese Absicht kann ab«' Dichter oder in den Begebenheiten selbst, in
welchem letztereu Falle man es das Schicksal
nennt, Tritt diese Absicht nun sehr in den
dieser Gestalt erscheint es bei Calderon, wo es
denn dessen ganze belebende Kraft braucht, um
zn assimilieren. Bei Lopc de Vega steigen die
Anschauungen aus dem tiefen Brunnen der
Empfindung empor, und sie forderten nicht mehr
zuui Venken auf, als die Natur felbst den Bc»
von Guimarains überflüssig und ohne Wirkung,
Daß er sich vor dem Könige zu hüten habe,
wußte Visco vhuehiu. Er schlägt die Warnung.
etwas, das ihn, dnrch eine schicksalsartige Ver»
kettnng in das Gegenteil überschlagend, gerade
seinen Feinde,: in die Hände führte. Er bc-
einfach gefangen. Andererseits kommen aber
wieder aus der Anschauung hergenommene In»
tcntionen vur, die viel zn flüchtig sind, nnl
mit der Anschauung aufgefaßt zu werden. So,
und Zepter zur Seite, sich dem Zuschauer dar»
stellt, liegt ihm gegenüber, gleichfalls tot, Donna
Elvira, nnd zwar, wie ausdrücklich angegeben
wird, eine .Hand auf die Wange gelegt. Das
soll ohne Zweifel auf die Ohrfeige anspielen,
die, von Donna Inez empfangen, Anlaß des
ganzen traurigen Herganges war, nnd zugleich
auf eine zweite, die Don Egas im Begriffe war,
Elvicren zn geben und nur durch die Anwesen»
heit des Königs davon abgehalten wnrdc. Wer
Anblick der auf die Wange gelegten idand der
Toten,
Während bei Caldcrun alles, selbst dcr tiefste
Gedanke, auf die Oberfläche herausgeworfen
wird, hat Lope dc Vega, dieser oberflächlich
scheinende Dichter, eine Innigkeit, die häufig
bis zum Fehlerhaften geht. So weiß ich nicht,
ob jene über alle Beschreibung schöne Szene, wo
der Herzog von Visco durch eine verborgene
^>'i!'c!lN!,nue vor drin «önige gewarnt wird,
unwiderstehlich hinreißt,
II villsuo ei» zu rinoau.
Das Stück ist durch die Bearbeitung Friedrich
aus dem Gedächtnisse zu verlieren, weslmlb ich
ihn auch gar nicht näher berühren will. Anders
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik