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2. Zur spanischen Literatur. 277
ist ein Veweis von seinem glücklichen Tnlt, und
rundet den >lern der ,vandlung notdürftig ab,
Tie beiden «onsnln mit ihrer knabenhaften
Liebe, mitten in den Gefahren und Pflichten des
>nioges, eigenuiche nbgcfchmackte Personen, und
doch in deii Mitteln, die sie anwenden, und in
d^r Art, wie sie sich nach dem Scheitern ihrer
Übrigens ist das Stück ein Veleg von der
Zerstreittheit, in der Lope de Vcga schrieb. Er,
der in seiner Jugend doch gewiß mit der klassi-
schen Literntnr genug geplagt worden war,
mischt die Epochen und die heldcnnamcn der
römischen Welt so wunderlich untereinander,
d^sl !ai,m das Jahrhundert zu bestimmen wäre,
in dein seine Handlung möglicherweise hätte vor-
gehen tünnen, Ebenso vergißt er, das! Fnrio
Iicb bei der Flucht Eurienos die seine Mitwisscn
sll,.ift verbergenden Wunden selbst beigebracht
hat, nnd läßt ihn mit dem ganzen Gefühle der
^.-alnlieit dieselben Wunden als einen Beweis
s^incr Unschuld in Anspruch nehmen.
Überhaupt herrscht in allen spanischen Stücken
daß das Glänzende der Handlungen und die
^iär!e der ^eiocnschaft von allen Ansprüchen
der bürgerlichen Moral völlig entschuldigen.
Wen» die Fabel dieses Stückes von Lopc er»
oder Numnnze entgegen, uud er setzte sie in
Handlung, ohne viel hinzu oder weg zu tun,
bruchs niit dem Stallmeister anklagen, weil sie
dem ältesten von ihnen das weiße Licblingsroß
des Vaters verweigert hatte, ist ein derbem ^tüct
alter Natur, das Lope, als einmal vorhanden,
sich gar nicht viel Mühe gibt, weitläufig Psycho» ,.
logisch zu begründen. Nicht allein, daß LoveZ V
Zeit derlei glaubte, derlei geschah wirklich in
ciucr noch älteren Zeit, Hcrodots Geschichte,
d,e ^'schichte der römischen Könige, die skan-
find, das libernatürliche abgerechnet, durchaus
nicht so fabelbaft, als man glaubt. Uns scheinen
sie freilich fo nnstatthaft, als es uns unbegreif-
Elein nntcrichob, Nie Erfindungen einer Zeit
sind nnr ein Abbild ihrer Handlungen, Glücklich
»isse, ohne Zersetzung und Abschwächung, vor-
f,,lncn kann, Nie Poesie ist im Bilde und nicht
imNäimmement, Wie Poetisch hingegeben mußte
ein Pnblikiiin sein, das nichts Lächerliches darin
fand, wenn eine Frau, wie hier die Königin,
ihren mannbaren Stiessohn, allen ansichtig,
bnrt nachahmend, ihn als ihren eigenen Sohn
anerkennt. In der Behandlung nichts eigentlich Hervor-
tretendes,
Nie dem ersten Vande beigegcbenen zwölf
von einer so derben Art, daß es im schreiend-
sten Gegensatze mit dem überbildeten Liebes-
gcschwänc der eigentlichen Lustspiele steht, Über-
Icit geschrieben und zeigen, daß das Volt an
seinen alten Erinnerungen nnd lGenüssen festhielt
nnd die feinere Welt eine wunderliche Mischung
von galanter llberbildung und unansgctilgtcr
Roheit war,
Tie Vrfinduug dieser Possen scheint wohlfeil;
wer aber ähnliches, und zwar in solcher Menge
versuchen wollte, würbe sich leicht von der
Schwierigkeit überzeugen. Merkwürdig der Ab»
1^023, die vortrefflich versifiziert uud mituutcr
von eigentlich poetischem Werte sind.
trigcn, aber die Fugen find locker, und es klappt
nichts, Ter Hauptspaß, wie schon der Titel an»
zeigt, daß die Verkleidungen in der Mühle vor«
gehen nnd die mit Mehl bestäubten Gesichter die
Personen unkenntlich machen, Tie zweiteAttrave,
znm Schein gefangen nimmt, um die Lieb»
habcrin dnrch die Besorgnis für dessen Schick-
sal zur Nachgiebigkeit zu bewegen, wogegen sie,
von dem wahren Sachverhalt unterrichtet, den-
selben Umstand benützt, um die Freigebuug
ihres Geliebten, eine sohin unmögliche Sache,
als Preis ihrer Gunstbezeigung von dem ver-
liebten alten König zu begehren, — Niese zweite
erwickelung so lose hingestellt, daß daraus
keine rechte Wirkung hervorgehen will. Nie Per»
alte König sich Knall und Fall verliebt, schadet
seiner Würde nichts. Ich bin ein Feind jener
weilhergehultcn deutschen Teutelci, die das Gras
wachsen hört, demuugeachtct fiel mir aber bei
dem Prinzen von vornherein Don Karlos ein,
nicht der schillcrisch idealisierte, sondern der
wirkliche, brutal gewalttätige, um so mehr, als
von einer französischen Heirat die Nede ist,
?cm ^li,schauer mochte vielleicht ähnliches vor»
schweben. Selbst das der Anlage nach komische
Verhältnis der Müllerstochter, die von Liebhaber
an Liebhaber abgetreten wird nicht bis zum
eigentlich Schlagenden ausgebildet, Tcmunge»
acbtet toniinen aber alle Ingredienzien vor, nm
mit Hils? guter Narstellung einem Publikum,
das die Planmäßigkeit wohl vom Ernste, aber
noch nicht oom 2picle verlangte, liinlänglich zu
gefallen.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik