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2. Zur spanischen Literatur. 279
langen droht, Ten Schluß macht der General,
der den treulosen Liebhabern befiehlt, ihre ver-
laffenen Geliebten zu heiraten, wobei denn die
kleine Fortuna dcin lumpigen Eastruchii zuteil
wird, ein Besitz, um welchen er freilich nicht sehr
zu beneiden ist, die arme Willenlose aber noch
uiel weniger, Tie Attraven des Stückes sind
nichts weniger als geschickt ins Werk gesetzt, was
denn überhaupt nicht Lope de Vegas glänzende
Seite ist.
Es ist merkwürdig, daß ein Stück von so
nichtswürdigem Inhalte nus nichtsdestoweniger
Vergnügen macht. Es ist eben die Naturwahr-
hcit der Tarstclluug uud das Interesse au der
menschlichen Natur, selbst in ihren Ausartungen,
sind, Ja, es freut uns, jenen Energien der Ul
fprüuglichkeit, die wir in Wirklichkeit möglichst
gang gegenüber drin Geschäftsgang, Nicht anders
sprechen nns auf Reisen jene Völker am meisten
an, unter denen wir um wenigsten leben möchten
.lulln» äe K
sich sichtbar macht, wo nämlich das Märchen»
hafte nicht mehr als geträumt Natürliche, son-
dern als das absichtlich Gesteigerte vorkommt.
Von dieser Ärt wenigstens ist die Szene, wo
Königin, die in ihm verliebt ist, die Krone aufs
Haupt setzt. Nur stellt es Lope de Vega nicht
so geschickt an, als sein Nebenbuhler, weil ihm
Phantnsmagorien erst ihre Bedeutung gibt, Ter
Inhalt des Stückes absonderlich genüg. Die
Königin ist eben in jenen Ludovico verliebt,
den eine Prinzessin Estela, eine Verwandte der
Nun ist aber der ungarische Prinz Andreas, be-
gleitet von seinem Vater Mathias, mit einem
Heere ins Land gekommen, um das Königreich
steht aufs äußerste, wird aber von ihren Unter-
tanen verlassen und muß sich der verabscheuten
Verbindung fügen, Ludovico wird dadurch
bungen Estclas zugänglich. Er will ebcu bei
ihr de» Brautwerber für feinen Freund Mathias
machen uud nötigt ihr das Versprechen ab, ihm
seine noch znrückgrlialtein'Bitte nicht abzuschlagen,
als Estela von ilnii und Mathias sich das gleiche
Versprechen geben läßt und nun vo» Mathias ver-
langt, seinen Freund zu vermögen, das; er il,r
selbst seine Hand gebe. Beide nehmen keinen
Anstand, ihr Wort zu halten, und Ludovico ist
nun Estelas Verlobter, Darüber wird er ver-
rückt, zündet den Bauern die Ernte an und
treibt allerlei Unfinn,
Mittlerweile entwickelt Prinz Andreas den brutalsten Charakter, Er hat seine Gattin satt
und stellt Estelen nach, Ja, seine Absicht, ihr
Gewalt anzutun uud sie dann von einem seiner
Helfershelfer ermorden zu lafsen, wird vou dem
Gerücht als wirklich ausgeführt verbreitet, Tiefe
Nachricht steigert den Haß der Königin gegen
ihren Gemahl aufs äußerste, besonder? da nmi
auch die Hoffnung dazu kommt, den durch Estclas
Ohnehin hat der König beschlossen, seine Gattin
durch Gift aus dem Wege zu räumen. Als er
in dieser bösen Absicht zu ihr ius Zimmer tritt,
lockt sie ihn iu ein Nebengemach, wo sie ihn
hinter der Szene nämlich) mit.Hilfe der Frauen
hierauf, nicht ohne sich den Verlauf des Trauer»
jahres vorzubehalten, ihre Hand dem Geliebten
Ludovico, und auch die mittlerweile zum Vor,
schein gekommene Estela hat nichts mehr einzu-
wenden, des Prinzen Mathias Frau zu werden.
Wie lose und puppenfviclartig das Ganze ist,
leuchtet ein. Nichtsdestoweniger fehlt es dem
Charakter der Königin keineswegs an cincr Art
wilder Großartigkeit,
Fängt ganz vortrefflich an, Tie Personen
und Verhältnisse individualisieren sich. Ein
eifersüchtiges Weib in der ersten Szene, die
Molitzre auch nicht besser hätte schreiben können.
Tie Verlegenheit des geplagten Ehemannes, als
ihm das Kind der Prinzeffin, die auf offener
Händen bleibt. Von da an aber wird das Ganze
allgemein und unbedeutend. Ein König, der,
wie Lopes Fabel-Könige überhaupt, alles ein-
kerkert und umbringen will, Tas im ersten
Alte geborene Kind erscheint im zweiten Äk'e
als zwanzigjähriger Jüngling, als Maure Luz-
Vater im «erker nnd die Mutter im Kloster.
Erwirbt unerkannt die Liebe feines tyrannischen
Großvaters, erwirkt die Freiheit seiner Eltern,
heiratet die Tochter feines Nährvaters nsw.
Anßer dem erwähnten Eingänge und der un-
mittelbar darauf folgenden Szene, wo Lu-,ma,is
Vater, noch juug und als Gärtner verleidet,
die Hoffnungen seiner Liebe in einem hübfchen
Monologe ausspricht, nur noch eine Szene im
zweiten Akt herauszuheben, in der Luzmans
Milchschwester und nachmalige Braut Elavela,
über ihre erwachende Neigung von der Mutter
zur Rede gestellt, den Fragen ausweicht nud die
Warum übrigens das Stück ei mavoi-H^Fa
äuäu3o heißt, begreift man nicht recht, Tcnn ob
Luzman der Enkel des Königs fei, mag aller-
dings zweifelhaft fein, ob aber, wenn er es ist,
ihm das Erbrecht, das m2>olHxgo gebühre, liegt
außer allem Zweifel, da tein anderer Bewerber
sich vorfindet. Wahrscheinlich hat Lope vou
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik