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3. Zur englischen Literatur. 313
Tenn so un»ndlich weh sie mir getan haben, so
steckt zugleich eine große Lehre darin. Wohin
man nämlich mit den höchsten Geistcsgabcn ge-
langt, wenn die ,verzensbegeisterung fehlt. Aber
weli >,at s mir getan, denn ich war wirtlich aus
dem '^ege, 3wiit, trotz mancher Gebrechen,
eigcntliä, zu verehren.
Für den Wert des Menschen sWeibes?) ist
die Güte des Charakters allerdings das Höchste,
aber für das ^iisammci, leben, namentlich das
nähere und uächste, ist >?>,,,inr und Temperament
tnng maq bei Swist vbgeivaltct haben, wenn er
von ^lella sagt!
.^,1, habe jetzt das Gedicht nachgelesen, aus
dl'm ^^'alter 2l'0tt in seiner Biographie S>^>ifts
jene andolNiall,' Verse zitiert, und ich habe ganz
reäit graten, Tie übergroße Lebhaftigkeit, die
NeiU'ar!e,t zum ^ol'ii, die Hartnäckigkeit im Be«
liaupten war es, was Swiftn, trotz aller vor
irefilu'lien Eigenschaften Stellas, das Zusammen
I^ dex nnt ilir unmöglich machte. Und doch war
sie schon 36 Jahre alt, als er jenes Gedicht
die Tore der Besonnenheit ihr für immer ver»
schwarzes Haar, die strahlenden dunkeln Augen,
!,i!»!ing der Ä^uINi^'stalt über die gewöhn-
Vilde iiberein, da> leider dieselben Fehler bei
gleichen VortreMichkeiten besint,
!^vas sein allerdings nicht zu rechtfertigendes
Verhältnis zu ^tella und Vanessa betrifft, so
kani er mit beiden zuerst als Lehrer in Ve-
ri!!,^!>!>, n,,d er ist wahrscheinlich sehr über-
,ies,l!lei!,l!icl!c Leidenschaft erwidert zu sehen,
Sein Benehmen gegen beide entsprang aus dem
einzige Stelle, aus der man sieht, daß er Shake-
I'üNIüütie, z^ilt« 5oullllll tll 5teIIa. I,n 47,
' roniantisch, genau in unserem Ziniil',
sonst vor? Etwa bei Thakespeare? Ich erinnere
mich nicht, Vei dieser (^elegenhcit: Walter
Ccoit versichert, Tivist er>vähne' Shakespeares
nie, ^ch liabe ivenigsten^ vier oder fünf An-
siiluiiiigen aus dl'nVu Trauerspielen gefundeu,
worunter besonders eine aus Heinrich VIII,, die mau nur mit dem Vuche an der Hand machen
konnte, da es eben keine hervorragende Stelle ist,
Ls iü merkwürdig, daß Swifts poliw cnuver-
dem Tialog in Shakespeares Lustspielen, so daß
zweihundert Jahre nichts beigetragen haben znr
Milderung der Roheit in England,
Lord Byron,
Unter die merkwürdigsten Erscheinungen ge-
^nrons für Shakespeare! des zweitgrößten eng-
lischen Tichters für den ersten, Tieck oder älni-
liche Fasler werden sich leicht mit der Annahme
zufriedenstellen, daß der mindere Geist eben den
Faslcr nun aber selbst Shakespeare zu verstehen
behaupten nnd Lord Vyrun ihnen in jeder
geistigen Befähigung himmelweit überlegen war,
bcachtung aufgesucht werden,
Es ist anch ein anderer Grnnd, Vr liegt
teils in der Geistessclbständigkeit, teils in der
Selbständigkeit machte, daß alle seine Über-
ihm selbst hervorgegangen war. Er kannte als
Engländer die Alten und schätzte sie hoch, schon
nm der eisten Iugendeindrücke willen, dann
Man hat aber alle Ursache, zu glauben, daß er
sie nnf dieselbe allgemein menschliche Weise sich
aneignete nnd znrcchtlegte, wie die großcnGcister
praktischen Köpfe der englischen Öffentlichkeit
noch gegenwärtig tun. Seine Verehrung für
Pope scheint darauf hinzudeuten, daß er gegen
umgegangen war, nicht viel einzuwenden hatte.
Indes wir Teutsche an den Alten vorzüglich
das beachten, wodurch sie sich vou uns unter-
scheiden, was kulturhistorisch gewiß da>I Nichtigere
ist, heben andere Nationen an ihnen das heraus,
was sie mit uns gemein haben, wodurch sie zu
praktischen Mustern werden und in die fort-
schreitende Vildnng eingreifen, indes sie bei
uns gewissermaßen zu Hemmnissen gcword'.'n
sind und unr in der isolierten Betrachtung, aber
die Welt stellt, allenfalls mit Ausnahme Shake-
speares, ist weniger Pedant gewesen, als Lord
Letzterem lonimt aber daher, daß Lord Byri^i
eigentlicher Empfindungsdichter ist, nicht zu ver-
wechseln mit Gefühlsdichtcr, Denn Gefühl und
Empfindung sind verschieden. Das Gcsübl ist
sympathisch, die Empfindung monopaihisch.
Ersteres bezicht alles auf den Gegenstand und
liebt oder verabscheut, letzteres auf das eig.'ne
Selbst und billigt oder mißbilligt, Tas Gefühl
ist zunächst nnt dem Negehiungsvcrnwgcn ix-r-
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik