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4. Zur französischen Literatur. 317
den vorhergehenden vor. Es ist, als ob der
versass«, durch die lange Arbeit ermüdet, die
poetische Anschauung seines Lebens und die
dramatisch-konsequente Ausbildung des sich selbst
geliehenen Charakters vergessen hätte und auf
nnnml in die Prosa der Wirklichkeit herabge-
fallen Ware, Seine Eitelkeit, die Sucht, sich
durch Sonderbarkeiten auszuzcichuen, treten gar
zu nackt hervor. Überall Spuren des emmi.
Man merkt, daß er hier die Gegenwart be-
schreibt, die sich natürlich nicht so leicht ideali-
Schcint es im zwölsteu uud fünfzehnten
Briefe l2, Band) der heloisc nicht, als ob
^t, Preux Lust hätte, sich selbst abzukühlen^ uud
Julia es ihm verböte?
Frau von Stacl.
Peinlich ist die Schwüle, die über den ersten
Bänden der Corinna der Frau von Stacl
als ich heute im zweiten Bande die Stelle las,
wo Lord Nelvil über die Cugclsbrücke geritten
der >xlden dieses Buches auch reiten oder über-
haupt etwas audercs als reden könne. Ich
lichstcu, die je entworfen worden siud, Wcnn
auch Abwechslung überhaupt augcnehiu isi, so
und kaltem Verstand, wenn nicht Hnmoiistit
etwa diese Extreme verknüpft; sonst, uud so ist
diiriilxr der Verstand warm und das Ge-
fühl kalt.
Es ist interessant, eine Parallele zu ziehen
zwischen Jean Pauls Titan uud der Corinna
der Frau von Stael, Beide scheinen von einem
Plan ausgegangen zu sein (Jean Paul, versteht
sich, uur im Anfange seines Werkes), Veide
suchen die Beschreibung von Italien dadurch,
Personen staffieren, zu heben, aber wie vcr»
iäncden ist der Erfolg! Indes die Landschaft
bei Jean Paul stets Hintergrund bleibt, ver-
schlingt sie in der Corinua die Figureu.
Tie lächerliche Eitelkeit der Madame Stacl
leuchtet wohl nirgends so sehr hervor, als in
il,rem letzten Werke: Zehn Jahre meiner Ver
bauuuug. Überhaupt ist mir das ganze Wesen
dieser Frau unleidlich. Was für übertriebene
Deklamationeni was für, weuu nicht gemachter,
docb gesuchter Enthusiasmus; welche halbwahre
Wahrheiten und allgemeine Sähe, die aufs höchste als besoudere gelten. Sie steht an der
Lpitze der Schriftsteller, die nicht ihren Gegen-
wand zeigen wollen, fondern sich. Worin bc-
tand denn das Unglück ihrer Verbannung?
Tast sie nicht mehr in den Zirkeln uou Paris
gläuzeu konnte, an denen sie so läppisch hing,
damals wirklich Ursache zu tlagcu hatten.
Lucretia von Ronsard.
Ich gestehe, daß ich vou diesem Stücke, uach
dem, was uns darüber iu Iuurualartikcln,
auch dcu lobenden, teils vou vornherein, teils
eine sehr geringe Meiuuug hegte. Ich habe eK
gelesen und kaun nicht anders als mit wahrer
Achtung davou fprccheu.
Nicht als ob es ein eigentlich gutes Stück
Aber nur wer die Schwierigkeiten einer Sache
nicht kennt, Pflegt übcrstreng zu sein-, wer sich
selbst versucht hat, weiß auch das Auuähcrndgnte
zu schätze».
Vor allem ist hier die Meinung zu be»
richtigen, als ob der Versasser der Lucretia
durch dieses Stück, im Gegensatze der roman-
tischen Gattuug, sich dem sogenannten Klassizis-
«osiüme, Ausdrucksweise, Gesinnung — des Vcr»
asscrs nämlich, nicht der Personen — dem Klassi-
ismus entlehnt oder nahestehend; dagegen sind
Handlung ausmacht, so völlig romautisch, daß
diese Lucrctia sich au die ersteu Werke Nietor
Ongus ^ Heiuani z, B,, vollkommen anschließt,
ehe nämlich der letztgenannte, rcichbegavte
Nichter durch Widerspruchsgeist uud die Eitel-
keit, immer das Unerhörte zu sageu und das
Niedagewesene zu bringen, zu jenen Vcrirrungen
Schatten zu stellen drohen. Bei Ponsards Bilde
ist Leinwand und Grundierung klassisch, das Ge»
inälde aber romantisch. Man bedenke selbst:
Also dieser Brutus, der nicht nur ein Verrückter,
sondern auch der Lustigmacher des Stückes ist;
Persou, weil ein Mann von Ehre und Gesinnung
sich so viel Schmach doch nicht gefallen lassen
kann; seine Gattin Tnllia, die schamlose Mai»
genialen Taugenichtse Lord Byrons, und die
LidMa eumana, die an die hexe Walter Scotts
post, taetum im süusteu Aufznge zu gedenken;
das find denn doch bei Gott romantische Elo
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik