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322 V. Studien,
des Kleinlichen und Giganteslen, Tas
des Crliebens »der sich felbst, das den Menschen
beim Ai,sel,en des Erhabenen ergreifen soll und
als charalleristisclies Zeichen desselben angegeben
wird, Muß die Betrachtung jedes Schonen bc-
sicl, das Tchöne von dein dloß ^'^olUgefälligen
ausscheidet,
,^we<< dcs Tchöncn.
Man sagt: der Zivect des Tchönen ist Per«
gnügen! Erstens: was heißt denn das: Zwect
des 3cln'nen? ?er Ziuect des bahren is! das
Walne und der Zweck des Tchöiien das ^cböne,
hervorbringt und das^^chöne nur infofern, als
cs auch nngenelini isr, >vas nicht ininier der
Fall ist, iXIl, Tas ist nnr n>ahr voin Vergnügen
im gewöhnlichen Verstaiide: in, Iiölieren wird es
vom Tcllönen in,,ner bervorgebracht,! Ziechnet
von ('>eflil!len, die oft im ganzen N'irtlicl,en '^eben
eines Mensche» nickt in 'Anregung lommen?
Ten Überblick über das Ganze des Redens, die
eigener und fremder ^eidenfchaften? Tas '^ ,-aci,
erhalten des Entimfiasnins jeder Art, den die
engen Verhältnisse der Bürgerwelt fo !eic>tt ein
schläfern? Ist das alles nichts, das man »ölig
hat: durch das Unterschiedn des bloße» Ver
guiigens als Zweck der «unü den «nnstler mit
dem Tascliensvicler in eine »lasse zu senen?
(5s gil't eine ,uveisacl,e Ärt, die Hvelt -,» be-
traclnen: die wissenschaftliche und die be
schauliche oder ton tem p ! al ive, Tie erste ge«
!ett Uerinilt.'lt ^ fast a»sschl,eßliä, durch
das d'rlenntiiisoermögen. Von ^val!rnel'i!in>,iien
zn Begriffen uud von diesen zu Urteile» n»d
sschliiijen emporsteigend, gewinnen wir eine An-
sicht, die a»f die ',>lat»r unseres Geistes gc-
griiüdet, »»d bei geliöriger Ted»Itio», ebenso
unerschütterlich als seine ttesetze, die ^iinnd-
l.ige von alle» dem alismacht, >uas als bissen
Tiese Ansicht des All !,at ihre Vorteile/ aber
niich ilne Nachteile, Tas Vorteilhafte besteht
— i» der Veweisbarteil ilner Ansprüä,e: der
Nachteil eben in diesen ttreuzeu, (Gerade
über das, was die Forschbegicrdc uon jeher am
meisten erregt, gerade i,l>er die großen Ange-
legenheiten der Menschheit, über den leyl,n ^,n,
sammenliang der Tinge, die unsichtbare >tettc,
sie ihre >lrast versiegen, uud — gewohnt in
strenger Stufenfolge vorzugehen, ficht fie am
Rande ihres Kreises wol,! noch die Stangen der
groneu weiter ins All hinaufreichen, ober ohne nn» allerdings die übrige» Vermöge» der ^ecle
den Platz der Zurückweichenoen einnelmien lasfen
und mit ihnen den Iwlieren :!>anm verfluchen zu
durchdriuge», aber — siir sede» Fall >iört nun
ans, »nd das erneuerte Vegi»,,e» fällt niit eeni
zusammen, ivas öden als oer i>veile 5eil unsens
Forfcliuugsverniögens, niii dem Zinnie»-des Be-
llxter Vesc!,au»ng verstelle i>1, ie,i>
tung des menschlichen ^vesens, durch welche al^ e
seine >lraste und Vermögen, innere und äußere,
obne ^onderniig, vlme dasz eines oder das
andere vorl,errsche. »>ie i» einem V-renupuntte
auf eine» ^eg.-nsiaiid gelieflet loerden, der da»
dn,'ch !i,nle»^l!iet, erliellt nnd ,nit einer lebendig'
lei! ,ns Vennisttsei» ausgenoinmen »'ird, die bei-
»al,e teinen llutersilned zu,'ifcl,eu deui biegen
siande uud seiner Vorstellung er!e,i,i>^
Tiese Vorstellungsart schliesil de,i Verstand imN
nielir notireodig in sich, aber »nr als Teil des
n-,e>!, oline vorlierrstüeiide ^>e>l>alt,
H'.-ie gefährlich die V>>ir!ung dies,
fchanungsverniögeus in feiner Anwendung anf
^legenstände des Kiffens u»d a!s ^»ppleuient
des <5rlen»t»isver>nögens ist, liade» die ^'rfali-
ruuge,i aller ^alnliunderte nnr z» deiolill, ,,e>
zeigt, Gar leicht mit der Veniuiin vermisätt,
und feine Ansdente nnter den, Bilde derfelden
,'n ausprägend, vera,,las,te sie nm so
leicl'ier Irrtiin,er aller Art, als sie hier bciuahe
ohne «ontrolle ist i,nd vor dem Vmwnrfe de>j
)^icl,lbegreifens gefichert, die 3chiild d>'
verstehexs leicht von fich auf die Vefchläuttheit
diefes Vefcl,ai,i,ngsverniögens, !vo dasfelbe d.r
darzustellen ^ insofern es zur ,<l»ust wird,
Teui, da es das L'igentnuiliche eines »linsüvcrles
ist, daß cs die, Idee, die Anschannng des
Künstlers, nicht bloß für ihu felbst erkennbar
nnsdrüclt, sonder,! nlich znr weiter diene, au der
so liegt ebeu in dieser Zugänglichteit siir andele
die. sicherste Pürgschast ihrer Realität, ihrer
Übereinstimmung nämlich mit de» i»»ereu u,,d
äußeren GeseNen dcr Natur,
hiermit ,st »»» zweierlei ausgesprochen: (is
gibt eine >l » n st uud es gibt 0>esetze dcr Kunst,
die aber nichts anderes sind, als die ^> '
geistigen nnd körperlichen Natur in >!>
sammenslimmnng angewendet auf die >lnust, ,'>,,
i>,rer Zusammenstimninug sage ich, denn da
die Kunst auf eiucr iuuercn Änschalinug bernllt
nnd foniit ilner ^-efenheit nach, sowohl über die,
bloße «örperwelt hinausgeht, als auch — da
nicht bloß die Vernunft, fonderu alle Vermögen
des inneren Menschen bei ihrer.hervorbringn!,g
tätig siud — nicht an die alleinige Gefetzgcb»»,'
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik