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L, Zur Ästhetik und Poetik. 325
anspricht, als da-> lebendige Urbild? Tcun die
technische Vollendung der Nachahmnng kann doä,
leine Rührung hervorbringen, höchstens ein Er-
stauncn, wie es die Kunststücke eines sogenannten
starten Mau,,es uder die un,;äl,ligen Gesichter
in den Kirschkernen unserer Kunstkamm«'!! er,
regen, ferner! N'irkt denn die Natnr linsoscrn
sie nämlich uielit Vefriedigungoniittcl unserer
^edürfnisfe darbeut) wirtlich unmittelbar ans
uns, und wärmn wirtt sie denn niäit auch auf
die Tiere, warum nicht auf alle Menschen gleich?
Was liegt denn in der Nöte der Wolken, im
Verglimmen des Lichtes, im hereinbrechen der
stehen? Warum gehe ich die frischen, grünenden
und lehre mich Kitteln mit eine»! Seufzer ab?
Was bcseufze ich? den Banm? Er fühlt seine
Verletzung nicht, Oder vcscnfze ich halb nube
wußt das Fallen alles Großen, das Verblühen
des Blühenden, „das Los des Schönen anf der
^anm über, und ist er mir nur ein Bild dessen,
was ich dabei denke? Wenn es min so ist, und
Menschen bewegt, indes die andern, durch zu«
fällige Nebendinge zerstreut, gar nicht zum Be-
geben des Gemüt-Ausprechenden in der ^ntnr
Fähige sich hinfetzt, um seine Empfindung
beobachteten Nalurgegenstande — mit >?,u>re>i
!lisiu!!>i des für die Wirkung Gleichgültigen uder
fühlte Wirkung auf ilm hervorgebracht hat: so
wird uun auch der flachere Beschauer auf diese
Art zur Änsmertsamlett angeregt nnd durch das
den eigentlichen Punkt gefeffelt, die vurlnr il,m
enigangenc Beziehung deutlich werden, und er
Nllturge,,enslande weder bemertle, noch olnie den
Künstler je bemerkt hätte, da es weniger der
schanz dem »<ge,,stände milgeteilt bat, Er wird
die Idee des >liins!ler^ erlennen und die ',>iaeb
der Verständlicl,ung gewesen sein,
Vonterweck erklärt sehr gnt das ästhetische
Gefühl aus dem Urgefühle des Menschen, mit
dem derselbe, anner dem Znstande der, Roheit,
aber noch vor der Sonderung seiner einzelnen
Vermögen gedacht, die Welt mit all seinen Anf-
fassung^mittelu, plmfischen, Geistes- und Ge
mulolraften ungeteilt in fich nufnimnit, so daß
zieliungeu aller Ärt fich zu einem, erfreuenden,
erhebenden, aber zugleich unbestnnmten Lin-
druck vereinigen. Wahrheit der Kunst,
Man spricht von einer Wahrheit der
Kunst, die durchaus notwendig fei, wenn letztere,
das Schöne hervorbringen wolle; anf der andern
Seite gesteht man aber doch wieder, das, manches
in den Künsten schön sei, obgleich es nicht wahr
ist. Wie hängt das zusammen? Clwa anf
folgende Art, Taß die Künste eine gewisse
Wahrheit haben müssen, folgt schon daraus, daß
sie, wie man allgemein zugibt, täuschen,
d, h. durch den Schein Wirten sollen^ da es
auch leinen Schein olnie Wahrheit, d, h, ohne
teilweise Übereinstimmung der Vorstellung mit
ihrem Gegenstände gibt, so folgt wohl von selbst,
daß die Künste wenigstens nicht unwahr sein
können, Tic hier geforderte Wahrheit wird aber
können, Tiefe ist einerfcits für die Kunst un-
erreichbar, weil sie, ohnehin nicht anf Wissen
oder doch abfolnt vorherrschend tätig erscheint,
nur als ciu Tcilvermögen ihrer Gesamtkraft
kciteu, welche durch den täuschenden Schein, den
sie erzeugen, dem Zustandekommen der Erkennt-
Wahrhcit, uebstdciu, daß sie für die Kunst un-
erreichbar ist, anch noch für fie unzureichend,
künstlerischen Vcschannug tätigen Vermögen aber
leer ausgehen würden, und somit wohl ein
muß, kann demnach nur eiue solche sein, welche,
sich auf alle, bei der Znstandebringung oec-s,cll),'n
eines Eindrucks fähige Vermögen hat feine
fiziert durch die aus feiner inneren Einrichtung
hervorgehenden Gesetze seiner Wirksamkeit be-
steht, Verstand, Phantasie, Gefühl und Sinn»
lichkeit verlangen daher jede^ i!,re Wabrhcit in
der Knust, von denen zugleich aber jede einzelne
drucke zusammenfließen sollen. Es wird dem-
Kunstwerke leinen Platz finden, wenn nnd inso-
fern sie die Wahrheit der Sinnlichkeit aufhebt,
so wie die Phantasie ihre Ubereinstimmuug nur
bedinguugen des Gefühls nicht verlekt. hieraus
entsteht nun statt der objektive» eiue subjektive,
jedes Kunstwerk haben muß, wenn es wirken,
den Menschen bewegen soll, Tie Wahrheit des-
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik