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L, Zur Ästhetik und Puetik. 329»
vidnalitä't zu besitze», die es naturgenms! er
zeugt nnd ebenso rechtfertigt als entschuldigt,
dann weicht die >lunst von ihrem Wege ab, und
die Veril'ildcrnng tritt ein, entweder angendlick-
lich, wenn das Nachgeahmte leidenschaftlicher
Natur war, oder später, als Nachwirkung gegen
rcfleltivc Kräfte uud launische Ablehuuug,
'Nian uiusz daher uutcr den ausgezeichneten
Künstlern einen großen Unterschied machen,
zwischen den Vortrefflichen als solche» und den
^lüslllgültigcu (der eigentliche Begriff für das,
was uiau klassisch nennt). Die ersteren gehen
einen Pfad, der nur für sie gangbar ist, die
zwcücu den Weg, der für alle paßt, Der Anö
drück or iginel l ist daher sehr zweideutiger
Natur, und es gehört eine große Begabung dazu, u,n einen «nnsllcr nicht schon durch diese Be-
zeichnung i» die zweite Rangstufe zu setzen.
Auf den eigentlich grüßen Künstler übt das von
seiueu Vorgänger» Übernommene als Vo»
handenes die Macht eines Natürlichen, und er
besser, Lu ist i» der Musik Beethoven vielleicht,
eiu so großes musikalisches Talent als Mozart
od^r Haydn, nnr hat etwgs Bizarres in seiner
ginell zu fein, und allbekannte traurige Lebens-^
umstände ihn dahiu geführt, daß, in weiterer
der Ton mit der Kunst und die Kunst mit dciu
Toue blutige Bürgerkriege führen.
Das Drama der Gegenwart und die Schicksalsidee.
Von allen poetischen Formen die strengste, ist
die dramatische. Alle andern gehen formell
einer Lüge, uud ihre Aufgabe ist, diese Liige
aufrecht zu erhalten, ja fic i» letzter Ausbildung
zu einer Wahrheit zu mache». Nie Lyrik fpricht
^,!, befühl aus! das Lplls erzählt ein >'V
!>i>> !>>nrs ^für die Form gleichviel, ob wahr oder
erdichtet); das Drama lügt eine Gegenwart,
Man hat sich in neuerer Zeit sehr lustig ge»
friil,erer einem Schauspiele zum Lrfordernisie
,,,.1>!U',', und geiris;, eine iinalnveiölicl e, ^ivingende
Stelle setzen und namentlich die Tragödie ,',n
einem Schauspiele sür Schlächter undKnunidalen
!u, >,,l, selbst gewählte (überuommeue, Tä»scl.i,ng,
eine Supposition, die der Iuseher übernimmt
lin die der Zuschauer eingeht«, aus die slill^
ilne Ävirknugeu lästig, weun sie auälend würden,
?ie Aufgabe der drninatischen ,^nnst, als Form,
Gegenwart (ja nicht mit Wirklichkeit zu
verwechseln ausrecht erhalte», ihre Bewahrung
dem Zuschauer erleichtert uud nicht gesnniel
sirenuug falle» lasse, oder wohl gar im Wiixr
willen wegwerfe,
^er diese ^äke leugnen wollte, niünie erst
verlnndcrn, daß als gegenwärtig dargeslelltc
er müßte nngescheln'n inachen, daß die drama-
ui>>>c,i ^u^'istcrir'erlc alier /!r,ten, gut g>'ipir!i
oder gelesen, jenen tiefen Lindruck niachcn, den
uur die Gegenwart geiuährti er müslte endlich
ertlären, warlim man überhaupt die in ,edcr
wählt, wenn es dabei bloß auf lnlile Möglich
leiten und behagliche „Ls war einmal^ abge
sehe» ist. Dies vorausgeschickt, fragt es sich: Durch-
Begebenheit als eine, wenn auch uur angr«
noininene (vorausgesetzte) Gegenwart Wirte?
hiu, wie die Lrfahrung zur Geuügc lehrt. Was-
ist es also sonst?
Die Wirklichkeit zwingt. Die Häuser iu
meiner Straße abzuleugnen, fällt mir nicht ein,,
und wenn ich inurgeu einen Stein uoin vimiuel
mag es begreifen oder nicht. Wenn mir aber
jemaud erzählt, er habe ein Schiff iu der Lust'
fahren gcfehcu, so werde ich erst daun glauben,
wenn ieh es, durch Ursache und Wirkung ver-
mittelt, iu den Kreis meiuer Überzeugungen
wie das Wirkliche die Sinne! und was als
Gegenwart gelten will, muß vor allem als Ur-
sache uud Wirkung streng vertnnpit sich erweisen,
sei» Spiel, uud die eifrigste» Verfechter der
Willensfreiheit, die täglich von jedermann die/
motiviert auf den: Theater vorkommt, Dcr^
Chaiaktcr sei nicht gehalten, sagen sie.
Scharf und bestimmt sind die äußeren Ge-
stalten der Wirklichkeit, Mit nebelhafte» Ab-
schaulich mnchcu,
Lbenso inzisiv find ihre inneren Aus-
tnndnngen, ^liicllicherweise verlangt die Knust
das, was übrig bleibt, wer erreicht's?
Endlich fügt fich das Wirkliche in seiner Be-
stimmtheit allerdings der Auweuduug des Bc-
Mcngc Zufälligkeiten begleite,, es und mnchcu
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik