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334 V, Studie»,
wie das Gemüt, von oben anzufangen und das
Irdische, an jenes zn knüpfen, beginnt der Ver
von dem untersten Gliede nämlich, nnd sucht nun
zn den, «bersten auf einer weiter ohne 2t»sen
emporz,,steigen, ,^at er sick, hier eine Voeile ver°
gebeno abgemattet, so bricht die Phantasie,
die er bisher zügelte, los nnd verknüpft die hier
gleisen, tausend Schickungen, deren ausgleichen-
den Grund wir nicht einselien nnd die uns eivig
an die lästige Vcschräntibeit der „icnsckilickn'n
?ialnr verweisen, inachen uus irre^ die >^e
wohuhcit, Ürscheiinüigcu, die aufeinaiiderfolgeu,
in dem Verhältnis von Ursache und Hortung zu
betracktten, trägt das Ihrige bei, Tas; dam
Ivirtlic!, so ist, zeigt der so nllgeun'iu verbreitete
, Glaube a»^ Gliick, ^»niall, Vorbedeutung! uu-
h,in>^'n an derlei Aberglauben —, sondern nur
für 'Augenblicke ans dc,u «Gesichte gerückt, Tie
Phantasie ist zufrieden, ihr ("ebäude bis z>,
e,,icr ,^öhe gesül,rt zi, liaben, deren ^ntferuuug
cin klarem ^^eiterscliaueu un,uöglick> macht, uuo
ergötzt sick, an den verfliegenden Ilnnisseu, 3o
ist em uud so N'ird em bleiben, bim em dam ('n'
inüt niit seinen, 'Aliiien und Glauben bi-.'- zur
^eutlicksteit der Verstaudeobegriffe uud Pl>au°
tafiebilder gebracht hat, das heis;t, bis ans
d'ude der ^elt,
Tieses vorausgeschickt, erhellt, das; die Idee
des Schicksals, obschon für die Philosophie v^r
iverflic!!, sür die Poesie von höchster H^n'Iuug
ist, ?!il!,t tbeoretisch Crlviesenes, souderu pra!»
lisch vorhandenem brancktt diese letzlere, nnd
sein, als ein von der Phantasie selbst geinalter
Hintergrund, der in seiner Unerinesilichkeit ihr
^ ,u,n znr freiestcn Bewegung gibt, Tie I^rage
i, ,'r '.'liüoeudbarkeit des Fatnnis in der Poesie
fällt hierdurch znfaninirn niit der Frage über
die Anwendbarteit der Gcspe,>ster, der vorbe-
denteiiden Tränine usw,, welche, letztere sogar
die geistrrschenen Franzosen in ihren Tragödien
so wichtige Nollcn spielen lassen,
3oll daher die Idee des Fatnins in der
neuen Tragödie ebenso vorherrschen, wie in der
antike,,? Nichts weniger als das. Bei der reli-
giösen Tendenz, die den Tragödie,! der Allen,
von ihrcni Ursprnnge her, anhing, war das
Fatunl so gut, als das Gottersystcm, notwendige
Maschine, eine schwer zu behandelnde, vorsichtig
zn brauchende. Maschiue, und zwar lediglich für
die Tragödie, mit Ansschlns; jeder anderen Dich-
tnngsart, der Epopöe zum Beispiel, NuB dem
Grunde dieses' Unterschiedes wird zugleich die
Art des Gebrauches folgen. ?er Begriff Schicksal ist bei nn-> ,,,>
Frucht der Ubcrzenguug, sonder,, der dnnteln
?l!,nnng, Fn allen andern Tick'tnngsarten spricku
der Tichter selbst^ was er sagt, in ,,, ^
nii,,g, nnd dalier wäre cin auf die ,^ dee des
Fatnnis gegrüiidetes ueues l^pos ein Unding,
nnd hier liegt em in Ker Viackit des Tichtcrs,
ilire dliaraliere so zi, stellen, den ^turn, i!,rer
^eidcnsckiasten so zn leulen, dasi die ^oee dem
Tclncksals in ihnen entstellen »ms;, ^vu- dam
lvorde,! ist, schlägt ein Blitz in die ^e>'lc des
Zusehers, 'Allem, was er hierüber in schmerz
licher stunde aumgegrübelt, geliört, geali,,! uns'
geträumt, ivird rege, die dnuleln '.'.'iäckile er
Ivachl'n, und er spielt die Tragödie mit. Aber
nie trete der Tichter vor nnd erlläre den
selbe Tilulel, welches über dam ^vese» dem 3chick>
sa!m lierrsilck, >>er>sck!e auch in seiner ^rwälmnng
demselben^ feine Perwurn mögen ihren (^>la„brn
daran deutlich aumsprecheu, aber iuinier bleibe
dein ^uschaner nnanmgcinacht, ob er de,n lan,
ni!^'n ^veckisel dem ^ebenm, oder einer verborge»,en
Waltnng das sck>anoerl>aste Unheil zusäireiben
soll, er selber ahne dam lVtztere, es ,verde il>,n
aber nicht tlar gemackit^ de>,,, ein anmgefprock ener
Irrinni stönt zurück,
Ä„f diese Ärt hat Niülliier die ^dec des
Tchicksals gebraucht, aus diese ?l,t, scküiieillile
icli ,uir, sie gebraucht zu haben, uud die H6ir
tuug, die dieselbe auch aus dcu geb,!delen Teil
dem Publünmm geniacht hat, belräftigt meine
Meinung,
.',eser ^rtläruug iuerdeu vielleicht gerade
die eifrigste!, Verteidiger des Fatnnis an, wenige
stei, zufrieden sein, d,e deinselben einen groszen
Verbi,idnng n,it den (<>rnndsätzen der christlichen
Neligion zu bringen suchten, und der Tragödie,
w.'r weis;, was für eine hohe moralische Be -
stimmung anU'iescn, Aber sie mögen sich vor>
sehen, Tam eben ist dam Unglück der Tentfchen,
das, sie e,uig all ihr bissen zn Marlte bringen
und nickit glauben, eine echte Tragödie gemacht
zu habeu, weuu sie uick>t i»i '),'olfall ^ngleich als
ei,i ziompendiun! der Philosophie, Religion, !':e°
schichte, Statistik nnd Pl»,sil gelten taun, so das,
man in ihren dramatischen werken alles, bis
ans dam Tramatische, antrifft. Ich kann einmal
nicht helfen, nnd alle eigentlich produktiv
poelifcheu >!öpfe werde» mir hoffe,itlich bei-
schasten sind der Vorwurf der tragische» >>u»ft,
alles andere, und wäre es anch dam höchste,
bleibt zwar nicht ausgeschlossen, aber ist —
Maschine, Neligion auf die »anzel, Philosophie
auf den Katheder, der Mensch mit seine,» 3»n
uud Treiben, seinen Freude» und Leiden, Irr-
tümer» nnd Verbrechen ans die, Bühne, lind
somit genug.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik