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340 V, Studio».
Weib , , /' "
Religiöse Ent^ickungen unterscheiden sich da
durch vou poetische», daß erstere nur enn-r
iuucreu Wahrheit bedürfen (gleichviel, sei sie
>,un objektiv oder subjektiv), letztere aber n^'st
der formalen inneren noch auch eine ä'nßere
Wahrheit brauchen, d, h, daß sie sich auf das
in stetigem Fortschreiten nach Prinzipien folge»
recht kommt, das ist wahr, gleichviel, ob sie
Nechtstitcl und der Erweis ihrer Ansprüche,
Tie Phantasie als Schöpferin der Kunst hat aber
keine eigene Gesekgebnng an^ sich sell'st- >e
weiter sie fortbildet, je mehr gerat sie in Gc«
falir, sich zu verirren, nnd der Tichtcr wäre ein
Wahnsinniger, wenn er sich ilir allcin ül^Nn's>'.
Ter Verstand muß die Wirksamkeit der Plian
der forniale Leiter aller unserer inneren Ver-
mögen ist! binsichtlich des eigentlichen Zweckes
der >!nnst aber !auu er uns nichts helfen, da
sie nicht anf furniale Möglichkeit, sondern ans
ideale Wirküclüeit aufgeht und als höchstes
dec- ^,1'önen an^nnelmn-n genötigt ist, da^, in
de-> >c- niaiülnc- aiicrlannt Wa!>re nlo inän
schön vorl>e,>är,t, seinen ganzen Acifall oft dem
rein, Erdichteten znnn'ntn't, insofern es mit jenem
dunklen Ideale znsamnienstimnit. ielde Wabrbeit, aber in dein »leide, der Form,
liat die poctijNie ^^alirlk'it anch die jiil'ielüv'
genannt, l!n>il!U!>i' d.'nn die »^>ruudlag,' >,t
eln-,,sl' odieüiv, al-> die andere, denn alle Wal,',
heit ist objeltiv, Äl'cr die »Gestalt, dao B,!^,
die Erscheinnng ist ans dem ^ndjelt genoinni.n,
^ian iviirde sie am besten die smndolische ^^>U,r
>,cil nennen, Ävarnni ninintt denn aber die
^,il,>»eit Gestalt? Weil ,U!e >lnnst anf Ge«
slallnng, Foringel'ung, ^ildunii l',-ru!,t nnd die
ninlte Walnheit ihr Reich olineliin i» der —
Prosa hat.
Jedes Ttreben ist prosaisch, das einer Nea<
Interesse gefällt. Aller Poefie liegt die Idee
einer hölieron Weltordnnng znm Grunde, die
sich aber vmu Verftaude nie im ganzen auf-
faffen, dalnr nie realisieren läßt, und von
welcher nur dem «^efuIU vergönnt ist, dem Gleich»
ohne Zweck hat es Kant ausgedrückt, tiefer
schauend, als vor ihm und nach ihm irgend ein
Philosoph,
Tas Tnmbolischc der Poesie besteht darin,
daß sie nicht die Walnheit an die Spitze ihres
die Art nnd Weise, wie sich das Licht des Geistes
in dl'in halbdunleln Medium des Gemütes särbt
und bricht,
Tie prosaische Wahrheit ist die Wahrheit des
Verstandes, des Tcnkens, Nie poetische ist dic- g
Ausdrucks in der ^ocsie !on,m! dl'.I,,'r, daß wir
dei t'^,,! eigentlilln'n Änsdrncl schon längst ge-
wohnt sind, nichts mehr zu denken oder vor«
-,!!!,,'>»,, ?aö ^,!d nnd, w '^,l>,'r fortgesetzt, das
^Nei>1'n,v nötigt n,,s aber ans dieser stninpfcn
l>>en'ol!n!!eit ln'»ii>,v, nnd die n,,einsprechende '^e^
zeichnnng irirlt stä:!^r a>>> d,e völlig geniäße,
I iescs matte Schaukeln zN'ischcn 5)immel und
Erde, Prosa und Poesie, das die neuere Lyrik
charakterisiert, macht eine lll^üeit- wi>! ich ei,>
ball stcilrccht in die Wollen hinauf.
Die Gegenwart ist nie Plüsch, uxil sie dem
Vediirsuisse diente das Vednrfni^ aber ist die
Prosa
Es handelt sich nicht darum, was die Poesie
schauen Iierau^nlil'den nnd lebendig zn erlialten,
die das menschliche Veiscimmei,leben, die llnk'r-
mdnnng des ein^'IM',1 n,,!er eine (^esaintbeit,
iiotunndig nnd nützlich beschrankt nnd zaliill
lunnr der menschlichen Natur »nd Erhaltnngs-
initlel n'der Energie — ganz verlöschen würden,
wenn ihnen nicht von Zeit zu Zeit ein, wenn
auch nur imaginärer Spielraum gegeben würde.
Ec- geltt d^ -r Poesie gerade so, oder vieln,^!,r
uingekeint, wie der Philosophie, Letztere ist bei
ilneni Entstehen nut dl'r Neligio» vereinigt und
üniiastt dao gesamte ^chauen, >^>!>>,'n und Te,,lcn
des Volkes, bis sie sich endlich von ihr scheidet
und sich auf das durch den Verstand Erweis-
bare, beschränkt. Ebenso ist die Poesie anfangs
das Organ für den Gesamtinhalt des nunsch-
!i>l','n Geistes, Spater, nach Erfindung der
Prosa, überläßt sie dieser das Lehrhafte nnd l>c<
hält für sich die Tarstellnng, die Empsindnng,
statt der Einsicht die Aussicht,
Es ließe sich sehr gut durchführen, daß der
Poesie die natürlich^ Anficht der Tingc zugrunde
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik