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342 V, Studien.
Inhalt! Inhalt! Was kann der Dichter si'ir
einen In>,a!t geben, den ihm der dcnlcndc,
fülilendc l.'e>cr nilltt überbietet? Aber die Form
ist göttlich, Tic schließt ab wie die Natnr, wie
die Wirklichkeit, Über das wahrhast Vorhandene
die "vorm beruhigt die >!nnst und ist allem Nisse»
Was Schiller die naive und sentimentale,
Schlegel die antike nnd romantische Poesie ge-
nannt hat, Nw aber allen diesen Bezeichnungen
teils falsche, teils unbestimmte Nebenbestim-
mungen anliängen, möchte ich dic Anschaunngs-
uud En>ps,ndungspocjie nennen.
Nicht dic Ideen mnchcn dc» cigcntlichcn NeiH
der Poesie ans; der Philosoph hat deren viel»
leilltt Iiölicre; al'cr das; dic kalte Denkbarkeit
dieicr Ideen in dcr Poesie eine Wirtl ichkeit
erhält, das seht uns in Entzücken, Nie stürper-
lichte it dcr Poesie uiacht sie zu dem, was sie
ist, und wer sie, wie die Neueren, zu sehr ver»
gcistigt, licbt sie auf, ^ i.^ierher gehört der Ileiz
des Vildcs, dcr Mctaplicr, der Vergleichung,
und N'arum z, V, eine Fabel mehr iiberzengt,
nlo dcr ihr zugrunde liegende moralische Satz,
Nie Poesie berulit Iiaufig auf nicht bis zum
Ende nnsgednchteu (bedanken, wie sie denn über-
jä'cn aufspricht nnd voraussetzt. So im Prome-
theus vmc'tus. Wenn er wirtlich die Zukunft
voraus weiß, worin liegt das Verdienstliche
seines Widerstandes, da er doch nicht anders
Handel» lann, als er wirklich handelt.
Nie vollendete Form ist es, wodurch dic
Poesie ins !>.'eben trilt, ins äußere i^cben.
Nie Wahrheit der Empfindung gibt nur dao
innere; es ist aber Aufgabe aller Kunst, ein
Inneres durch ein Äußeres darzustellen.
Ten Gedanken festzuhalten anch in einem
inan dic Teile über die Idee des Ganzen ver-
nachlässigen will. Aber mannigfaltig und leben-
dig bis ins kleinste sei», und dabei doch nie den
Grundgedanken aus deu Augen zu verlieren,
da-? ,st die Schwierigkeit,
Eigentlich absurde, abcr durch ihr immcrwäh
reudco Vorkommen alo in der innersten Natur des
Menschen begründet anzuschcndc Vorstellungen,
daher für die Philofophie verwerflich, für die
U>ocsic abcr von Iioln'm Wert sind- Strafe der
Untat bis ins späteste Geschlecht, Wirkung vou
Ellcrnfiuch und Scgeu, Vorbcdcutcndc Träuinc,
Nas Schicksal, mit Vorauswissen und Voraus-
!>esiimmen gedacht. Nie Gottheit leidenschaftlich. Wenn man von der nenen Zeit und der
Notwendigkeit einer neuen Nichnmg dcr Poef,c
fpricht, fo fallen mir dic Griechen ein, die iil
Unmer in ihrem monarchischen Homer d>,-> >'!'>!>> ^
,^dclN der Poesie verehrte,, und fich poetisch von
ihm ganz befriedigt fandcn, Ja, als alle
Tynasteugcfchlechtcr gestürzt waren nnd fie die
Freiheit bei Salamis nud Marathon mit ihre,»
Blute erkauft, wußte sich die neu entstandene
dramatische Poesie leinen gemaßcren Gegen.
>lönigc und Machthabcr, Neu Bedürfnis,! d,r
Gegenwart klebt immer etwas Prosaisches an,
uur die Erinnernng ist poetisch.
glauben. Spezielle Erlnnnnq dco ^,->,,,'i^,,,.
Glück und llnglüit, ob,eil,»,' gedacht.
Nie komische Poefic strebt dem Ideal ebenso
nach, wie die ernsthafte. Nur spricht lehterc
das Ideal aus, indes erstere dasjenige angreift
nnd verspottet, was dem Idcal cntgcgcnstcht.
Die Poefie der Nentsche» hat alle die Fehler,
die darnns hervorgehen, daß sie gegen den
natürlichen Entwickelungsgang erst nach dcr
Wisfenschnft entstanden ist, Sinter ^inn, lautcr
Sinn! indes die Poesie der Prosa gegenüber doch
eine Art Unsinn fein sollte.
Waruni die Alten bcsscr sind nnd, bci gleichen
Gaben, bessere sein müssen, als dic Neueren?
Wcil ihnen das große Fcld dcs Einfachen und
Natürlichen auszubeuteu frei stand nnd fie, um
nen z» sein (was jeder Schriftsteller will), nicht
>,e!nnstclt zu sein brauchten.
Nie Streitfrage über den Vorzug des Klassi»
scheu und Nomantischcu tmnnit mir vor, wie
wcnn cin Hauswirt an dcr Mittagstafel feine
Gäste fragte: ob fie licbcr essen oder trinlen
wolltcn? Ein Vernünftiger wird antworten:
Beides,
Aas Untcrschcidcnde des Romantischen gegen«
über dem Klassischen ist, daß ersteres bloß die
Gemütswirknng bezweckt, gleichviel, auf welche
Art sie bewirtt wird^ das Interessante, das
Geistreiche, das Bedeutende, ja das häßliche,
allco ist ihr willkommen, wenn nur die beab-
sichtigte Aufregung dadurch hervorgebracht wird.
Nie alte Kunst aber ging bloß ciuf das
Schöne, d, h, auf jene Gemütserhebung, die
einzig und allein aus dem sinnlich vollkommenen
Eindruck entspringt,
Es ist das Gruudübel der Poesie (der lhri-
fchen befonders) aller neueren sneuesten) Na-
tionen, daß fie sich zur Prosa hinneigt. Nicht
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik