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366 VI,
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gemach!
schaftlich
ich wohute ieder bei, obivohl ich nur mit halbem ! den Tnbal in allen ^
Ohre zulwrle, oder wohl gar, wenn es mich zn
fehr laugweilie, an etwas anderes daclüe ?>,->
niemand leichter zu täuschen als er, uud seine
Strenge besclnänkte sich auf Ernst, Vielleicht
lag sogar ein Erziehungsplan zngrnnde, So
an den Theaterabenden, den Znsammenlmng
sehr gut einsehen, nie hat er aber mit mir ein
Wort darüber gesprochen, und er nahm die
Sache, als ob sie eine natürliche wäre. Auch
lassen dieser Art begnügte er sich, statt zu
warnen, ^u belehren, zu drohen, einfach damit,
die Gclegeiiheit zn entfernen, und d,>
war zugleich mit der Möglichkeit verschwuuden.
Endlich sollte das alles fich felbst strafen.
Nie Zeit der halbjährige» Prüfung kam heran,
und ich erliielt eine oder zwei schlechte Fort»
gangsklnssen. Da war es nun wieder nicht mein
Vater, der kaum zu wissen schien, daß eine
Prüfung vor fich gegangen fei, indes meine
Mutter zum Verheimlichen und Vcrtnfcheu
immer geneigt war; mein eigenes Selbstgefühl
fand sich empört, daß ich mich ans eine so
liederliche Weise den Schlechten und Nichts-
werten gleich geinacht hatte. Ich beschloß,
diesem Treibe» ei» E»de zu mache», und hielt
Wort, ^chu» im nächsten Halbjahre mnßtcn
fort, bis ich für einen der besten Studenten
unserer Klasse galt.
Ein Imlbtomischcs Intermezzo bildete Pro«
scsfor Ttein, derselbe, der mir in der oberste»
Hiimaniläl^tlasfc ei» Ohr für den Vers abge-
sprochen balle. Er war als Professor der Philu-
wählten Autoren, wobei seiue heftige Wnnde»
lichteit es nicht an Spaß fehlen ließ. Er ließ
nn^ nnch Stilübungen treiben, wobei nns oft
die Wa!,l des Gegenstandes überlafseu war. Da
brachte ich ihm dcnu einmal ein ziemlich mittcl-
niäßigec- Gedicht: Der Abend, Er las es mit
Lob in der >llassc vor, wobei denn doch ein ge-
wisses Mißvergnügen durchschimmerte, Äm
Schluß der stunde wies er mich zu sich uud
fragte: von wo ich das Gedicht abgeschrieben
halle? Ich sagte, ich hätte es selbst gemacht.
Da brach er los und kündigte mir seine Verach-
tung für meine Lügenhaftigkeit an. Er war
auch das ganze Jahr über uicht zu begütigen,
tischen Arbeiten erschienen waren, suchte er seiue
Ungerechtigkeit durch das liebevollste Entgegen»
kommen wieder gut zu machen i ja er erlaubte
mir sogar, in feiner Anwefcnheit eine Zigarre
zu ranche», die höchst denkbare Gunst, da er lichcn Übertreibung haßte.
Um diese Zeit Ware» mir auch die erste»
Nänbcr, «abale nnd Liebe, Fie->lo Iialle ich aui-
führen geselien, nnd Don «arlos. Das lehterc
^tück cnlzüclte mich, und ich ging daran, auch
ein Trauerspiel zn schreiben. Ich wählte dazu
aus der Geschichte Peters de> <^> ausameü die Er»
morduug feiner Gattin Blanla von !>>astilien,
und diese lehtere gab de» Titel her,
^'eleille mich »icht nnd Ichrieb ziemlich
im '.'luge belnelt, mit den, es übrigens auch zwei
Fehler gemein hatte, daß ich nämlich in der
Mitte des Stückes am Plane äudeite uud es so
nngehcner laug geriet, daß man gut zwei vell,'
Abneigung gegen solche Vefchasngungcn zu
kennen glaubte.
Nun ging es, nach Vollendung der philo»
suphifchen, an die Ncchlsstndien, Äci dieser Ge»
legenheit verlor ich meinen alten slameraden
dnranf aber starb. Er hatte lange meinen ein
igen Zusammenhang mit der schönen
Literaturg
f
uwllten fogar ei,,mal gemein-
ein belletristisches Ionrnal „Irene"
b d ich d l i c h i Ei
hfc stsch I I
Heransge en, zu em ich das gleichnamge in<
leiiungi'gedicht schrieb, das mir abhanden ge-
tonuncn ist. Die Zensnrstellc, der luir die Probe»
die Vcwilluinng der .^erau->gabe, wobei sie Wal)»
scheinlich sehr recht hatte, Meiller hatte übrigens
ans meinen verminderten oder vernu'hrleu ,"vlei!!
in den Studien gar keinen Einfluß, da er sic^ i
vielmehr an den Gedanken gewohnt hatte, mich
für ein liederliches Genie zn halten, wobei er
fich vielleicht in beiden Bezeichnungen irrte,
Zn größerem Eifer in den unn beginnenden
NeclNvsiudien wurde ich vielmehr dadurch ange-
trieben, daß mein Vater ein lcidenfchaftticher
Jurist war uud ich wohl wußte, daß ich ihm
keine größere Freude machen tonnte, als wenn
ich ihm ausgezeichnete Zeugnisse nach Hause
brachte. Das trieb ich aber ganz änßerlich.
Während des ganzen Halbjahrs nahm ich von
den laufende!! Studien gar keine Notiz, sechs
oder acht Wochen vor der Prüfung aber warf ich
mich auf den Gegenstand mit einem solchen,
alles andere vergessenden Eifer, studierte vom
anbrechenden Tage bis in die späte Nacht so aus«
dauernd n»d eifern, daß die guten Zeugnisse mV'
ausblieben; nwran sich mein Vater wohl heim-
lich erfrenen mochte, ohne daß er mir aber je
ein Zeichen davon gab. Alle meine Professoren
hielten mich für einen ausgezeichneten Juristen,
und nnr ich wußte, daß ich es nicht war, denn
es fehlte mir Lust und Liede uud daher anch der
Geist uud der Zusammenhang,
Freund Meillei sollte mir nun »ic-hr "lZ
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik