Seite - 396 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Bild der Seite - 396 -
Text der Seite - 396 -
396 VI,
Ich war vun jeher ein Feind der ÖffenlUi!,
lueffeu Veruiittclung, iu einem Wiener Journale
ohne meinen Namen erschiene» war, früher ,,,e
etlv.is drucken lafsen. Ich weigerte mich daher,
fei die ^Infniertfamteil des Publikums auf dieses
Stück gerichtet, und wen» nicht jetzt, könne mein
Fragment wohl nie mehr znr Geltung gebracht
werden. Ich willigte ein. Längere Zeit vcr.
ging, und nieine llberfetznng erschien nicht, was
mich herzlich wenig kümmerte. Endlich n>nd
Leben ein Traum mit Beifall aufgeführt, und
des uächsteu Morgens gibt die Modczcitung
mein Fragment, das, unter den höchsten Lob»
prcisnngen, zuni Angrifsspnnkt gewählt wird,
nni über die aufgeführte llberfetzung aufs fei,!>
lichste herzufalleu. Zugleich lialte ich schou aus
dem Tl,eater',cttel ersel,eu, daß der Versass'.
damalige Trainaturg des hosbnrgtheaters,
Eclnelivogel, in der Vorzeit sich litcrnrisch be-
sck,ästigte, Schrcyvogel luar i» unserer Familie,
znsolge eines ausgangslosen Liebcsvcrhällinsses
mit einer Schwester meiner Mutter, nicht im
besten Andeuten, Trutz eines heimliche,! Grauens
ucrehrte ich ihn aber schou in mciucu Nnal'en
jähren, und eine von ihiu zu Anfang des Iahr°
Hunderts herausgegebene vortreffliche Zeitschrift:
'Tas 3c>nntagsblntt, hat einen großen Einfluß
mich vor den Albcruheiteu zu bewahren, die jene
Zeit ebeusognt hatte, als die jetzige, nur daß da-
mals zwei große Geister wie eine Ientralsonnc
in der Mitte standen und die faselnden Roman-
tiker doch zu einer "Art ztonzcntrizität in ,!ne,i
jedem die Erlaubnis zu einer Üometenreife ins
Leere und Budenlofe gibt,
,u,',in, jenem Fragment beigesetzter Name
war Schreyvogcl nicht entgangen. Schon ein
paar Tage darauf sagte mir der alte Slriptor
Leon anf der Hufbibliothet, es habe Schreyvogel
sehr wehe getan, daß der Sohn eines Jugend-
freundes sich zu einer so niedrigen Intrige gegen
ilm liergegebcn. Ich erklärte dem alten Lcou
den Zufaniuieuhang der Sache und meinen
eigenen 'Abscheu vor dem Mißbrauche, dcu man
mit meiner Arbeit getrieben, Ta kam denn die
Rückantwort, wie es Tchrehvogcl sehr crfrene,
mich unschuldig zu wissen, uud wie er lebhaft
wüufche, mich kennen zu leinen. Ich ließ mir
das gefagt sein und ging nicht hin. Eine zweite
Aufforderung hatte denselben Erfolg, Na er-
klärt endlich Leon auf der Bibliothek, nun laffe
er mich nicht mehr, ich müfse auf der Stelle mit
ihm zu Schrchvogcl, Vngegen war unn nichts
mehr einzuwenden, und ich giug mit ilnu,
SchrehUogel empfing mich wahrhaft väterlich.
Von einer Entschuldigung war nicht mehr die Rede, Er erklärte selbst, daß >>!,,, ,ncm,
fctzung selir gcfMlcn ln',l>,', nnd er fragte, l'd u!,
denn leine ^nsl zn eigene,, dramatischenÄil^len
liabe. An der Äefälsignng fei tanni zu zweifeln,
Ich erzählte ihm, das', ,>!, ,,, meinen Knaben
labrcn ein endlofes Tranerfviel geschrieben, v,.'!,
desfen llnbrancl'bartei! ul, aber nuu selbst über^
zeugt sei. seitdem hätte ich es aufgegeden,
Äeuii !>>> nillus ^nchtn^s leisien l^ 'nne^ dulden
lassen ,^'!!e ii^, ,„,>l, ,>,i,!,t, '^v fragte w.',N', '
-^ >>!> »,,I,t iu der Zwischenzeit Stoffe dnill^
dacht liatte, ich mochte ihm derlei er^>!,i^!!,
'Xnn liaüe ich gerade damals einen ^tc>ff ganz
gegliedert in meinem ilopfe, Tamit ging es
,0 I,er:
,^,1! hatte die Geschichte eines franz^s,>!>!>>,,
>, Jules Maudriu, glaub' ich, die Art
feiner Gefangeunchmung gelefcn. Von den
Haschern verfolgt, flüchtet er in ein Herrschaft»
>!>loß, wo er mit dem »ammermädcl'en
eüi Liel'evverliättnis unterhielt, o!,ne daß d,e,'e,
ein rechtliches Mädchen, ahnte, welch ein,
worfenen sie »aminer und ,! hatte.
In il,rem Zimmer wurde er gefangen, Ter
tragische Keim in diesem Verhältnisse, oder viel-
mehr in dieser Eriennnng, machte einen großen
Ebenso war mir ein Volksmärchen in die
Hände gefallen, wo die letzti ^n!elin eines alten
Geschlechtes vermöge ihrer Ähnlichkeit mit der
schauderhaftesten Verwechselungen Anlaß gab,
indem ihr Liebhaber einmal das
das Gespenst, dann wieder, besonders b.'i eim-r
beabsichtigten Entführung, das Gespenst für das
Mädchen nahm. Beide Eindrücke lagen längere
Ieit nebeneinander in meinem >lc>pse, beide in
meinen Tieb und Räuber znni Helden e,n>'>
Urania zu machen i beim zweiten fehlte der ge>
spcnstcrhaftcn Spannung der sonstige mensch-
liche Inhalt,
Einmal des Morgens, im Bette liegend, bc-
Verhängnis über der Urmntter eines Gc»
schlechtes, dem auch er angehören mußte, gc>
adelte die Gespenstergeschichte bekam einen In -
halt, Eh' ich aufstand uud mich nntleidele,
war der Plan zur Ahufrau fertig. An die Ans»
behandeln, der höchstens für die Vorstadttheater
geeignet schien, uud mich einer Klasse von Tich»
tcrn gleichzusetzen, die ich immer verachtet hatte;
obwohl ich Poesie genug in mir fühlte, die
Tummkopf oder ein deutscher Gelehrter >Vin
müsse, um viel dagegen einwenden zu können,
Tiefen Tluff nun erzählte ich Tchreyuogel, und
zwar mit einer frohen Lebhaftigkeit uud einer
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik