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403 VI , Vioqraplnsclies,
Ich hatte den Mann in Wien nie kennen ge-
lernt, ja seiner Vekanntschaft ansgewiclnu, da
uiir seine Art und Weise widerlich war, Nun
machte ich aus der Not ciue Tugend nnd be-
snchte ihn, was er sehr gut für einen seiner
Zelebritäl dargebrachten Zoll aufnchnicn louute,
seine Frau in Gesellschaft eines luälscbeu Geist-
iudes er ans einer vor il>>n stehenden ^cliüssel
seinen animalischen Teil erfrischte, Teu ^>e,sl
dem darauf folgenden Gespräche ward es mir
leicht, berausznbringeu, daß Fürst Metleruich
den berühmten Augenarzt und anch in den
übrigen ^weigcn der Medicin niit blecht hoch-
,n Dr, Friedrich Jäger iu seiueu, ^!e^
folge I>abe, Ich begal' nuck, des audern Tags
zn ihin, Cr cnipfing mich mit gewolntter ^ie-
beusioürdigleit, nnd mit einer eiuzigeu '.1r,uei
milderte und hob er bei kurzem Gebrauche
das Übel, nn dem die >N,ust seines römische»
Kollegen gescheitert hatte. Ich war in der Besse-
rung begriffen, als mich ein Bedienter des
Grafen Wurmbrand, Oberslhosmeisters der
V,aiferiu, aufsuchte nnd aufforderte, mich zu
seiuein ,verrn zn versiigeu, Ich ging biu, faud
den gutinütigsten und lierzüäislen ^iaun in
dein trafen, und es zeigte sich bald die Ur-
sache meiner Berufnng >.Ne,u Vetter, Ferdinand
Panmgartte», der in Wien zurückgeblieben >var
und, nebst feiner stelle >,u >!abiuelte des
Baisers, aucl, die Tieuste eines 'Telretärs der
5iaiferiu besorgte, Iiatle iu der ^!viick>eu-,eit
meinen von den beimifche» Behörden ausge-
fertigte,, ^ieisepaß beliobeu uud, da er meine
Wolmung in Rom nicht wnßte, das Totument
an seiueu Vorgeseyte,,/ de,i <7l'ersthofmeistcr dci
^aiferiu, gesendet uiit d.r Bitte, mich ,u )>>0,u
aufsuchen n,id mir deu Pas, zustellen zu lassen,
Tao gefchali »uu, uud wir sprachen ül'er dies
nnd jeues, Ter Graf beuierlle mein übles Aus-
sehen, erfulir die Ursache uud meinte, ich sollte
mich so bald als möglich oon Nom entfernen, be«
fouders da die arw >l<iiiv!l f,cl, bereits fühlbar
mache, Ich war derselben Meinung, mus>tc
aber notgedrungen ansliarreu, da bei der nächst
bcvorstelieudeu Abreise des österreichischen ,vx'fes
nach 'Neapel alle Poslpferde für il,u iu
reilfi^asl gelullten wurde,,, fämtliche Vettnrini
nell>>,' die ^mueseniieit des ,^ofes nach !^>
gezogen bntte, die ^nipfaugsfeierlichteiien in
Neapel nicht uersänmen wollten. Als ich ihm
daS erüarie, oerselNe der l'iraf- „Ich mache
Il>nen einen Vorfcblaa,, Ich fahre iu eiuer
vierspännigen Kalesche allein im Gefolge des Baisers nud langiveile mich. B.-olleu I i , ' ei,>en
Plan an meiner ^,-ile l>is !,>>i'.'>l >!,,,,elnm'u,
>o uiaclien ^ie niir eiue Irei,de, Ti^ Vei>
auNvortuug gegenüber des >x"'es ueloue icl,
auf mich," Ter Äuirag >>,>>ir lockend, der Graf
geiiel luir se!,r woM, nud ick, unlligte mit
langte nnter ^üockeugeläute uud «nnouendonner
wo eine Ncihc von Pra^lüuuiuieru, auf xosleu
des ,^ofeS von Neapel, fur i!,,, iu Bereilsckiaft
staudeu. Als ich '>'lbsck>ied uelnueu wollte, fragte
er mich: ,,Was werden Zie nun ansaugen?"
„Wohnung fuchen," war nieiue natürliche Än!>
wort, „Jetzt, bei einbrechender Nacht?" oe»
el)tc er, „(klauben 2ie nicht, das', die Fremden,
die Ihnen in Rom die Pferde weggenommen
haben, cs in Neapel mit den Wohnnngen nicht
ebenso gemacht haben werden? Bleiben Sie
über Nacht bei nur, morgen baben Tic den
ganzen Tag, nm nach Beguemlichteit Qnarlier
-,n suchen," Tngegen ließ sich uuu wieder nichts
eiuweuden, u,,d ich blieb, TeS auderu Tages
frülistinlieu wir zufaiumen, und da laui
deuu eiu »euer VorsclUag, „2ie sehen," sagte
er, „die Reihe von Zimmern, die man mir
bereitet hat und ich nicht einmal beuicheu lau,,,
da mich mein Tienst den gauze» Tag bei Hose.
feslbäll; beivohnen 2ic eines davon, und wcntt
^ie glauben, das; darin eiue Gefälligkeit von
meiner ^eite liegt, so erweifeu ^ie mir eiue
zweite und helfen 3ie niir die Rechnungen der
»aiferin in Ordnung zu halten," Ti,,
nungen loaren das Einfachste oon der Welt nnd
bestanden nur darin, die Älmofen nnd Trini-
gelder, die der Graf für die >iaiserin beilriil,
am (5>>de der Woche in eine Zuinme zu bringen,
ein Geschäft, das tamn niel>r als zehn Minnten
Grase», der ein schlechter Rechenmeister war,
nicht wenig beirrte. Ich bin weit entfernt,
zu glauben, daß der vortresfliche Mann, bei
f>i,,ee >"üte fur uiich, urfprünglich eine Neben«
absill,t hatte, fpäter inochte aber eine solche.
Rückficht doch mitgewirkt haben, liin anderer
an meiner Ttellc oder vielmehr ich in der
incinigcn, wenn ich mir die Jache genauer
überlegt hätte, würde nicht eingewilligt haben,
aber mein natürlicher Widerwille gegeu alle
Iläuslimen Weitläufigkeiten nnd dazn die (5r>
sahrung von dem 2chnnch der italeuifchen
wirlc verleiteten mich zur Annahme, und doch
lag darin, wie sich später zeigen wird, die
Qnelle von allen Mißgeschicken, die mich seit»
dem so reichlich betroffen haben.
Wir wirtschafteten übrigens sehr gut zu«
sammeu, frülistückten gemeinschaftlich und fahen
uns den übrigen Teil des Tages nicht »,el,r,
fo daß mich nichts an meinen Exkursionen
hinderte, die ich teils allein in Neapel und
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik