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VI, Biographisches.
prächtigen alten ^pernhausc waren die Milder
nnd die Seidlci schon bedcntend in der Ab-
nahme, Ich war im Königostaoter Theater
zugegen, als die Tonlag nach ilner ersten
Paris« Neise znin ersten,nal u>icder auftrat.
Das germanische Pndlitnm empfing sie niit
Pseifcn nnd Pochen, Fort mit der Französin!
wurde von allen Seiten gerufen, 1^ pstite
mc>rv?u8» war aber durch nichts ans ihrer
Fassuug zn bringen, sie spielte und sang, als
ob all der Lärm sie nichts anginge, nnd am
nächsten Abend war sie schon wieder der un-
bestrittene Liebling des Publikums, Das
reizende »Geschöpf von damals ist sie noch.
In die litcrarischen Bekanntschaften wurde
ich durch einen mir bis dahin gleichfalls un-
belannien Äterator eingefiUni, lxiien erste Er-
,,>!>>!!!,,ig aber mit einem I,öchst störenden tleinen
Unglücksfall? begleitet war. Ich luar eben am
Nasieren, als nur der Kellner im „König von
Porlngal", wo ich wohnte, einen Offizier an-
meldete, der mich zu sprechen wünsche. Ich
deckte daher schnell ein offenes Schnupftuch über
das 3!afie:geräte und empfing den Fremden,
der, in voller Uniform uud mit Orden ge-
^ani^n Fonque nennt, so verziehen sich die Ge-
sichter zn spöttischem Lächeln; damals aber
war er in so hoher Geltung, daß ein großer
Teil der Nation ihn dem Altmeister Goethe
an die Seite setzte. Ich besitze noch ein ge-
stochenes Porträt von ihm, das durch seine
Infchrnten und Embleme nicht weit von einer
AroUieose entfernt ist. Überhaupt überfällt
einen Deutschen, der das sechzigste Jahr über-
schritten hat, ein wunderliches Gefühl, wenn
er die unzähligen Geschmackswendnngen, den
iüimel'waiü'eudcii Wechsel von philosophische!!
nnd sonstigen Überzeugungen sich zurückruft,
die er in dieser Zeit erlebt: Überzeugungen,
die lwn einer übelschwenglichkeit begleitet
waren, die ihnen ewige Dauer zu verspreche»
^,ilnvn in Nichts zerflossen waren, Goethe,
Schiller nnd Lcsfing find zwar di,' einzigen ans
nnst'rer ganzen Literalnr geblieben, bi? di,!cn
Tag, Niemand aber fällt ein, zu glauben, daß
sätzen lag. Man ändert, bessert, schreitet vor,
g.-fimden zn haben. Na überschleicht einen
solchen Beobachter denn wohl gar der Zweifel,
ob ans einer so wetterwendischen, in ihren
Ansichten so unklaren, in ihren Überzeugungen
so schwankenden Nationen je etwas Vernünitiges
ich im Jahre 1848 — doch davon zu seiner
Zeit,
Gegenwärtig befinde ich mich in Verlin,
Fouaus fitzt an meiner Seile, genießt eines nicht gan; unverdienten Nnhmcs und ist dcmnn»
immer möglich, ^ch mußte ihm vcrfpiechen,
mit ihm seinen kranken Freund Franz Horn
Als er ungefähr nach einer Stunde wieder
ging, trat das Unglück ein. Ich wollte mein
R^sicrgcrät wieder aufnehmen, über das ich
mein Schnupftuch gebreitet hatte, vergaß, daß
Uolllommen spaltete, Tas Vlut wurde schwer
genug mit Wasser gcstUlt, man riet mir, ich
glaube, Fcuerschwamm auf die Wunde zu legen,
die auch heilte, aber die getrennten Teile
standen in zwei halsten aufeinander. Ich
Nie Narbe davon ist noch jetzt sichtbar, Dieser
Umstand verbitterte mir ein wenig meinen Ber-
liner Aufenthalt nnd war znm Teil Ursache,
daß ich meine Neise nicht bis »ach Hamburg
fortsetzte, wie ansangs meine Absicht war, Itt,
mich zn Franz hurn, der im Nette lag und
aus dem Kranksein eine Art Geschäft zn machen
fchien. Über alles, was er dachte und sagte,
war eine Mattigkeit verbreitet, die ich später
auch in seinem Kommentar zu Shakespeare
wiederfand. Er war der erste dieser Kommen-
tatoren, die sich von Tieck bis Gervinus alle
aller Dichter unverständlich zu machen, Wenn
ich Shakespeare verständlich nenne, so meine ich
nicht, daß man ihn demonstrieren könne. De-
monstrieren kaun man überhaupt keinen Natur-
nnd daher auch keinen vollkommen natürlichen
Galerie, das heißt, er findet es natürlich, daß
die Menschen sich so nnd nicht anders benehmen,
nnd faßt das Ganze in eine erhöhte Emp-
findung anf, Eine Dichtung mitleben heißt
zur Geltnng und Wirklichkeit zn bringen im»
stände sind.
Ich glaube, es war auch Fonqus, der mich
sich von Verlin abwesend befanden. Ich lernte
da Varnhngcn und Ehamisso kennen, der mir,
wir an seiner Wohnung vorübcrkamcn, meinte
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik