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Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Seite - 427 -
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v>, pInsliies, einzelne sah ich plötzlich jeden seiner Züge, und die Teutlichteit des Teheuc' verkehrte sich in das Gefühl der Annäherung Auch ein zweites Mal erinnere ich mich einer ähnliche,i Erscheinung, Mich interessierte eine se!,r schöne Frau, die in Wien ans dem sogenannten Stock-ain-Eisen-Platze in, dritten Stucke wohnte, Eines Tages, als ich im Vor- übergehen niich am Ende des Stephansplatzes, daln'r noch in zienilicher Entfernung befaud, erblickte ich nn einem Fenster des mir wichtigen Hauses und dritten Stockwerkes etwas Weißes, das ebensogut ein Mann, als eine Frau, oder wohl gar ein Stück aufgehängte Wäsche sein tonnte, Im nächsten Augenblicke aber sah nl, die >^üge der Tvrau mit einer solchen Porträt« ähnlichteil, das; ich sie unmittelbar ans Elfen- hat in mir die Vcrmutnng hervorgebracht, daß meine Vnirzsichtigleit nicht von einer Beschaffen» des Angcnncrvs herrühre, die sich dnrch Auf- >>>n,clt. Niese Schwache mei,ieo Auge^, den, fchwache Gläser nicht helfen und das fcharfe nicht verträgt, hat beigetragen, mich vom Be- suche des Theaters immer mehr und mehr und endlich ganz zu cutwühueu. Seit mehr Auch an Gelegenheit, mit höhcrgestellten in Beziehung zu tominen, fehlte es nicht. Man wollte mich in die Teezirtel eine? Ministers, Sla.iemann, glaub' ich, hieß er, einführen, was die Minister liebe, Nein Fürsten Wittgrnstein, damaligen Obernnfseher der Theater, meine Aufwallung ,u> machen, wurde ich so oft auf- gemnnlert, daß ich fast glaube, es lag die Ab' f^chl vor, mich mit dem Vcrlincr Theater in eine Schölle ist, der ich sehr gerne den 5?of ,na>I,en, die ich aber durchaus nicht heiraten will. Auch, so sehr mir Berlin gefiel, hätte die Schönheit der Natur rings um die öster- reichische >taiferstadt, ist, wie in Wien zu wenig Bildung, in Berlin zu viel. Nun hat aber die deuische Bildung das eigentümliche, daß fie war mir die Einstimmigkeit der litcrarischcu Meiunngen znwider. Oft habe ich mich iu Wien geslvnt, lo^nn mir jemand fagle, er finde Goeil>e langweilig und Shakespeare roh, nicht es war mir augeuelnu, daß ich bei meiner Frage nicht die Antwort schon voraus wußte, Nuu Iierrscht zwar in Frankreich, oder herrichte geht fie aber ans dem Eharal'.er d^r Natiou, wie eine Art Naturnotwendigkeit, hervor, in ^ f c h l d dagegen werden die Meinungen von VlUtrrien der Nation gegen ihre Natur — wie schon der ewige Wechsel zeigt — gewalt» tätig aufgedrungen, dieser litcrarischen Feigheit der deutscheu Nation, oder vielmehr des deutschen Publikums, das heißt des sogenannten gebildeten Teiles dingten Mangel eines starken Naturello, i:i der Sprödigteit, um uicht zu sagen Stumpf- heit der Auffassungsorgnne und der ihnen eut» druck auf sie macht. Oder wenn dieser Ein» und Abstraktionen hingezogen, die, da sie im Geiste keine hinlängliche Rechtfertigung finden, im Virklichen aber keinen Maßstab uud kein biegenbild haben, mau ihnen geben uud nehmen kann, wie man will. Sobald man scheinbar ihren Verstand überzeugt hat, folgt das Naturell Lebens Glück machten. Aber solche gedrückte Organiflltioncn erfreuen fich auch, wenn man ihuen Unterschiede bemerklich macht, die ihrer eigenen Auffassung entgangen waren, nur fehlt dann das geistige Band, die Erhebung der Seele, die erst den eigentlichen ilunstgenuft cht Tiese Lenkbarkeit, gegenüber welcher das: Es gefällt mir, oder es gefallt mir nicht, keinen Grund ausmacht, ist, was ich die Feigheit des deulfchcu Pnblitnms genannt habe. Ein feiges Publikum aber erzeugt endlich notwendig eine Als ich am Tage bor meiner Abreise von Berlin von,,neiner Landsmännin, der Sängerin Seidlcr, Abschied nahm, fand ich dort einen flichsifchcu Grafen, der sich in den >lopf fetzte, der fchon etwas alternden, aber noch immer hübschen Frau den Hof zu machen. Er gab ihr glänzende Geschenke, die sie dankbar an» nahm, ohne daß er darum irgend weiter kam, Älo er dörte, daß ich nach Leipzig gehe, erbot er sich mir zum Neifcgcsellschaster, was ich bereitwillig annahm, Tes andern Tages machten wir uns auf den Weg, und zwar über für di^ se Gelegenheit aufgespart hatte, Wir verfolgten dort alle Eriuueruugen au Friedrich den Großen, der mir immer widerlich war, >,n Vergleich mit Napoleon, darum, weil seine Größe gerade im Unglücke am leuchtendsten
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Grillparzers sämtliche Werke Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Titel
Grillparzers sämtliche Werke
Untertitel
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
Band
II
Herausgeber
Rudolf von Gottschall
Verlag
Hansa-Verlag
Ort
Hamburg
Datum
1906
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.2 x 15.9 cm
Seiten
552
Schlagwörter
Dramatik, Literatur, Gedichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Jugenddichtungen
    1. Blanka von Kastilien 4
    2. Wer ist schuldig, Lustspiel 72
  2. II. Gedichte 85
    1. Lebensbilder 87
    2. Liebeslyrik 105
    3. Reisebilder 109
    4. Aus dem Reiche der Kunst und Literatur 113
    5. Zeitgedichte 131
    6. Verschiedenes 144
    7. Aphorismen und Sprüche 155
      1. Selbstbekenntnisse 155
      2. Kunst und Literatur 158
      3. Zur Politik und Zeitgeschichte 165
      4. Lebensweisheit 169
      5. Albumverse 171
  3. III. Erzählungen 175
    1. Der arme Spielmann 177
    2. Das Kloster bei Sendomir 194
  4. IV. Satiren 207
  5. V. Studien 221
    1. Studien zur Literatur 223
      1. Zur deutschen Literatur 228
      2. Zur spanischen Literatur 254
      3. Zur englischen Literatur 307
      4. Zur französischen Literatur 315
      5. Zur italienischen Literatur 319
    2. Studien zur Aesthetik und Poetik 312
    3. Studien zur Geschichte und Zeitgeschichte 349
  6. VI. Biographisches 373
  7. VII. Aphorismen 519
    1. Zur Philosophie und Religion 521
    2. Zur Welt- und Menschenkunde 529
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