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Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Seite - 429 -
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VI, Biographisches, rücklehrtc. Nicht als wäre meine Eitelkeit be- leidigt gewesen, Goethe hatte mich im Gegen» teile freundlicher nnd aufmcrtsamer behandelt, als ich voraussetzte. Aber das Ideal meiner Ingend, den Dichter des Faust, Elavigo nnd Egmont, als steifen Minister zu sehen, der seinen Gästen den Tee gesegnete, ließ mich aus all meine,i Himmeln herabfallen. Wenn er mir Grobheiten gesagt und mich zur Tür hin« ausgeworfen hätte, wäre es mir fast lieber gewesen. Ich bereute fast, nach Weimar ge- gangen zn sein, Tcmunch beschloß ich, den nächstfolgende,, Tag zur Besichtigung der Mcrtwürdigkeiten Weimars zu verwenden, uud bestellte im Gast» bnn^ die Pferde für übermorgen, Des nächsten Vormittage kamen Besuche aller Art, darunter der freundliche und ehrenhafte Kanzlei Müller, mehreren Jahren in Weiinar angestellte Kapell- meister Hummel, Er hat Wien verlassen ehe ich durch meine poetischen Arbeiten die Auf- die Freude fast rührend, mit welcher der soust im Umfange trockene Mann mich begrüßte und stadt -,nrück, dann mochte es ihn: wohltuu, in Weimar, wo er nur abschätzige Urteile über die geistige Begabung Österreich? zu hören be° lam, einen Landsmann litcrarisch geehrt und geachtet zu finden. Endlich bekam er Gelc- sprechcn, welche Mundart er mitten unter An» dcrssprechcndcn rein und unverfälscht erhalten Deutsch sprechen gehört. Während wir den Be- such einzelner Mcrkwürdigteiten Weimars ver- abredeten und Kanzler Müller, der meine >>-r sicherte, die Steifheit Goethes sei nichts als eigene Verlegenheit, so oft er mit einem Einladung zum Mittagmahl bei Goelhc für den nächstfolgenden Tag, Ich mußte daher Der Vormittag verging mit Besichtigung der litcrarisch berühmt gewordenen Ortlichteiten der Stadt, Am me,ften interessierte mich Schillers haus, vor allem aber der Umstand, daß in des Dichters Arbeitszimmer, einen, eigentlichen Dachstübchen im zweiten Stockwerte, ein Greis, der noch zu Schillers Zeit als einen kleinen Knabe», scinen Enkel, im Lesen unterrichtete. Die offene und geistig angeregte Miene dec- kleinen gab der Illusion Naum, als ob aus der ^tudierstubc Schillers dereinst ein neuer Schiller hervorgehen könnte, was freilich nicht eingetroffen ist. Die Ordnung der Tage verwirrt sich mir. Ich glaube, es war an dicfeni ersten, daß ich bei Hummel zn Mittag aß, und zwar ganz allein niit seiner Familie, Ich fand da seine Gattin, die einst so hübsche Sängerin Mamsell Nuckel, die mir in PagenNcidcrn und prallen seidenen Trikots noch immer vor der Erinne» rung schwebte. Jetzt war sie eine tüchtige, ehren» werte Hausfrau, die mit ihrem Gatten an ^renndlichtcit wetteiferte, Ich fühlte mich zur ich Hummel, trotz etwas handwerksmäßigem in seiner Gesinnung, doch als den letzten un> verfälschten Schüler Mozarts achtete und ver» ehrte. Abends ging ich mit Kanzler Müller ins in dein aber Graff spielte, der der erste Wallen» stein Schillers gewesen war. Ich fand ihn durch nichts ausgezeichnet, und als man mir er« zählte, daß nach jener ersten Vorstellung Schiller aufs Theater geeilt sei, Graff umarmt feinen eigenen Wallenstcin! dachte ich mir, um wieviel größer wäre der große Dichter ge» worden, wenn er je ein Publikum uud echte Schauspieler gekannt hätte. Übrigens bleibt merkwürdig, wie der im Grunde wenig ob» Lin Beweis mehr für fein unvergleichliches Talent, Bei Goethe ist gerade das Gegenteil, Während er vorzugsweise objektiv genannt wird und es großenteils auch ist, verlieren seine Gestalten in der Darstellung, Seine Bildlich» lichkcit verliert sich der zarte poetische Anhauch mit einer Art Notwendigkeit, Das sind üb> rigens svätcre Reflexionen, die gar nicht hier- her gehören seiner Mittagsstunde, und ich ging zu Goethe, Die außer mir geladenen Gäste waren schon versammelt, nnd ^war ausschließlich Herren, da die liebenswürdige Talvj schon am Morgen gereist, nnd Goethes Schwiegertochter, die mir mit ihrer früh geschiedenen Tochter später sc» wert geworden ist, damals von Weimar ab« iam mir Goethe entgegen und war so licbens» würdig nnd warm, als er neulich steif und kalt gewesen war. Das Innerste meines Wesens begann sich zu bewegen. Als es aber zu Tische ging nnd der Mann, der mir die Vcrkörpernug der deutschen Poesie, der mir in der Entfer- nnng und dem unermeßlichen Abstände beinahe zu führen, da kam einmal wieder der Kna^c
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Grillparzers sämtliche Werke Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Titel
Grillparzers sämtliche Werke
Untertitel
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
Band
II
Herausgeber
Rudolf von Gottschall
Verlag
Hansa-Verlag
Ort
Hamburg
Datum
1906
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.2 x 15.9 cm
Seiten
552
Schlagwörter
Dramatik, Literatur, Gedichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Jugenddichtungen
    1. Blanka von Kastilien 4
    2. Wer ist schuldig, Lustspiel 72
  2. II. Gedichte 85
    1. Lebensbilder 87
    2. Liebeslyrik 105
    3. Reisebilder 109
    4. Aus dem Reiche der Kunst und Literatur 113
    5. Zeitgedichte 131
    6. Verschiedenes 144
    7. Aphorismen und Sprüche 155
      1. Selbstbekenntnisse 155
      2. Kunst und Literatur 158
      3. Zur Politik und Zeitgeschichte 165
      4. Lebensweisheit 169
      5. Albumverse 171
  3. III. Erzählungen 175
    1. Der arme Spielmann 177
    2. Das Kloster bei Sendomir 194
  4. IV. Satiren 207
  5. V. Studien 221
    1. Studien zur Literatur 223
      1. Zur deutschen Literatur 228
      2. Zur spanischen Literatur 254
      3. Zur englischen Literatur 307
      4. Zur französischen Literatur 315
      5. Zur italienischen Literatur 319
    2. Studien zur Aesthetik und Poetik 312
    3. Studien zur Geschichte und Zeitgeschichte 349
  6. VI. Biographisches 373
  7. VII. Aphorismen 519
    1. Zur Philosophie und Religion 521
    2. Zur Welt- und Menschenkunde 529
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