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430 VI, Viugraphisches
in mir znm Vorschein, nnd ich brach i» Tränen
nus, Goethe gab sich alle Mühe, nni nieine
Albernheit zn maskieren. Ich saß bei Tisch
gesprächig, als man ihn, nach späterer Ver
sichernng der Gäste, seit langem nicht gesehen
hatte, Tas Uun ihni belebte Gespräch wird
aUgeinein, Goethe wandte sich aber auch ost
einzeln zn mir. Was er aber sprach, ansier
einem gnten Spaß über, Mülluers MitternaclUs
blalt, weis; ich nicht mebr, Icl) habe leider
über diese Reise nichts aufgeschrieben, Oder
vielmehr, ich sing an, ein Tagebuch zn halten,
schwer wnrde, entstand eine große ^inle, Tas
verleidete mir zum Teil die Fortsetzung, zum
Teil währte die Schwierigkeit des Schreibens
selbst noch in Weimar fort. Ich beschloß da
ln-r, unmittelbar nach der Rückkunft in Wien
bei noch frischer Erinnerung das Fehlende nach-
zutragen, Als sich aber dort, wie man sehen
wird, sogleich eine andere Beschäftigung auf-
drang, tam die Sache in Vergeffenheit, und ich
habe von diefem, ich hätte bald gesagt ^
wichtigsten Moment meines Lebens uiclns als
die allgemeinen Eindrücke ini Gedächtnis be-
halte». Von dem Tischereiguifse ist mir nnr
noch als charakteristisch erinnerlich, das, ich i,n
Eifer des Gespräches nach löblicher Gewolmheit
trümelte uud dadurch unschöne Brosamen er
zeugte, Ta tippte deuu Goethe mit dem Finger
auf jedes einzelne und legte sie aus ein regel-
mäßiges löänfchen zusammen, Spät erst be
merkte ich es und unterließ dann nieine Hand
Beim 'Abschiede forderte nnch Goethe ani,
des nächsten Vormittags zu kommen, nm micb
zeichnen zn laffen, Er hatte siänilicl, die G^
wohnhrit, alle fenc von feinen Besuchern, die
ihn interessierte,,, von einem eigene da',u be
stellten Zeichner in schwarzer zlreidc porträ-
tieren zu laffen, Tiefe Bildnisse wurden in
einen Nahmen, der zn diesem Zwecke im Be
suchzimmer hing, eingefügt und allwöchentlich
der Neibe nach gewechselt. Mir wurde auch
diese Ehre zuteil.
Als ich mich des andern Vormittag ein
stellte, war der Maler noch nicht getownien.
Mau wies mich daher zu Goethe, der in seinem
Hnusgärtcben auf und uieder ging, Nun wnrdc
mir die llrfache feiner steifen «örperchaltung
gegenüber von Fremden klar, Tas Alter war
nicht spnrlos au ihm vorübergegangen Wie
er so im Gärtchen hinschritt, bemerkte man
wohl ein gedrücktes Vorneigen des Oberleibes
mit Kopf und Nacken, Tns wollte er nun
vor Fremden verbergen, und daher jenes ge-
zwungene Emporrichten, das eine unangenehme
betleidet, ein kleines Schiimtäppchen auf den weißen Haaren, halte etwas unendlich Nübren
i sah l>ilb wie ein »önia, aus und
halb wie ein Vater, Wir sprachen in, An,
und Niedergehen,
Er erwähnte meiner Savplw, die er ;u
billigen schien, worin er freilich sich sel!"
denn ich hatte so ziemlich mil ieineni >talbe
gepjlügt. Als ich meine vereinzelte Stelln,,^
!, beklagte, sagte er, was wir senden,
gedruckt von ihm gelesen Habens d
nur in Gesellschaft Gleicher ^'der Almlich.-r
worden wären, als was die Welt fie anerkennt,
verdankten fic es großenteils dieser fördernden
uud sich erg>,n-,e,,dl'n W>',lnV>wirlnng, In -
zwischen kam der Maler, Wir gingen ins ^ans,
und ich wurde gezeichnet, Goethe war in sein
Zimmer gegangen, von wo er vc>n
Zeit herauskam und sich von den Fm,'
des Bildes überzeugte, mit den, er nach der
nielirere Schaustücke von feinen Schauen !>er
beibringen, Ta war fein Vrieswechsel mit ^'ord
Ährou; alles, was fich auf seine Bekanntschaft
mit der Kaiserin nnd dem >laiser von ^ste»
reich in Üarlsbad bezog i endlich das kaiser-
lich österreichische Privilegin,n gegen d, i
drnck sür seine gesnniinellen Werte, Aus leNlen's
schieu er große Stücke zn halten, entweder weil
ihm die tonservatwe Hallung Österreichs ge»
fiel, oder, ini Abstich der sonstigen literarifcln's!
Vorgänge in diesem ^ande, als >>uliosu,n, Tiefe
Schätze waren, halb orientalisch, jed<
sammengehörige einzeln, in ein seidenes ?nch
Müller auf, gegen Abend Goe!l>,
Ich unirde ihn allein treffen und mein
ihm durchaus nicht nnangenelim fein, Crst
später siel mir ans, daß Müller das nicht
ohne Goethes Vorwiffen gesagt haben konnte.
Nun begab sich meine zweite Weimarsche
Tummheit, Ich fürchtete mich, mit Goethe
hin,
Tiese. Furcht bestand ans mehreren El»
Vereich meines Wissens nicbls, was würdig
gewesen wäre, Goethen gegenüber vorgebracht
zu werden, dann habe ich meine eigenen Ar-
beiten erst später im Vergleich mit den ^eil«
stadt der deutschen Poesie, kamen sie mir höchst
roh und unbedeutend vor, Endlich habe ich
schon gesagt, daß ich Wien mii deni »befühle
eines gänzlichen Versiegen? meines poetischen
Talentes verlassen hatte, welches Gcsühl sich
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik