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Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Seite - 435 -
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VI. Biographische?, 435 zu vermögen, mit dieser letzten Hoffnung iuv das ganze Leben sich zn begnügen. Auch diese Zulage wurde mir zugesagt, mit dem Veisatze jedoch, daß erst nach drei» oder viermonat- lichcr Dienstleistung man mit Berufung auf meine gezeigte Gcschäftstüchtigkeit bei Leiner Majestät auf diese Gchaltsvermehrung antragen das niir anfangs durch die feindliche Gesinnung meiner Untl'rgel'enen, von denen die Ältest- dienendcn sich selbst um die Tiretturstclle be- worben hatten, sehr saner gemnclit wurde. Als die Zeit herankam, bei Leiner Majestät um jene Zulage einzuschreiten, hatte sich ein Nie Vaterlandsliebe war geradezu niit meinem Innersn'n verwachsen. Außer dem, was davon in jedem wohlgeschaffenen Menschen na- liche Sinn des Österreichers ein mir gemäßes n>uhltätig warmes Elenient, Ich hatte mich deshalb auch mit dem übrigen Deutschland nicht landes trug ich nnn auch gar zu gern auf die regierende Familie, als die Repräsentanten des- selben, über. So wenig Gutes mir bis da- hin noch von ihr widerfahren war, fo brauchte ich doch unendlich lange, bis ich mit einein oder dem andern ans ihrer Mitte, mit mir selbst aufs reine kam. Um diese Zeit war der Kronprinz, nach- maliger Kaiser Ferdinand, schwer erkrankt, Tic seinem Schweigen bei der staatsrätlichen Ver« Handlung unbelebter Maßregeln auf oppusitw- nungen in einigen Strophen Luft, wie es den» überhaupt meine Gewohnheit war, zur Lyrik Zuflucht zu nehmen, weshalb ich mich auch für einen eigentlich lyrischen.Dichter nicht geben kann, Der Sinn des Gedichtes war, der '^ahr- heit gemäß, daß erst die Zukunft seine geistigen Eigenschaften enthüllen muffe, vor der Hand in ihrem vollendeten Ausdruck selbst eine Weis- heit sei, gauz und vollkommen besitze. Mir entging nicht, daß diese Wendung Übeln ?eu° Gedicht aber auch für mich und dachte auf keine Veröffentlichung, Als es vollendet auf meinem Arbeitstische lag, besuchte mich ein freund, der, ohne selbst Literator zu sein, doch Zwischenzeit las er ziemlich unbcscheidenerweisc das offen daliegende Gedicht, Er war, viel- leicht gerade, weil die Darstellung inner den Grenzen der Wahrheit blieb, ganz entzückt und sprach davon in diesem Sinne zn seinen litc- auch zu hören, wogegen ich nichts einzuwenden hatte. Ich las es abends im Gasthanse vor, wo wir ein abgesonderte« Zinnner innehatten, schrift in mich, es drucken ,zu lassen, Einerseits beruhigte mich die ausnahmslose Billigung so mnßte das Gedicht der Zensur vorgelegt wer- den, die, wenn sie ein Arges fano, es ohnehin verbieten würde, Es wurde daher ausgemacht, daß es der Redakteur der wiener Zenschrisi dem uns allen wohlbekannten Zcnfor nicht amt- rücknchme» sollte, Das geschah, ?er Zensor, selbst Dichter und durch einige Zeit Thcater- direttor, erklärte, die Bewilligung zum Trncke nicht auf sich nehme» zu könne,,, Äls abcr der Ncdakll'nr der Zeitung das Gedicht wieder zurückverlangte, enigegneie jener, das lause gegen seine Pflicht, er müsse es der höheren Schurkerei war, weiß ich nicht, Tic Trnckbe- willigung wnrde verweigert, zugleich aber das Gedicht in unzähligen Äbschriiien verbreitet, Gerade diejenigen, die von dem Prinzen übel dachten, sahen in meinen Versen eine beab- sichtigte Verspottung desselben, Fcile Schufte schrieben in gleichfalls abschriftlich verbreiteten Znittelrcimen gegen mich und mein Gedicht, Es war ein liternnich-oiniafnicher Aufruhr, Unter diesen Uniständen gelangte der Vor- trag der Finanzhofstelle niit dem Einrateu auf Es ist in Österreich die ^ewohuheit, daß diejenigen, für welche eine sogenannte Gnaden- sache Seiner Majestät zur Enischlnßfaisung vor- gelegt wird, sich persönlich dem >lai,er in be- sonderer Audienz vorstellen, Teils konnte ich nicht, teils wollte ich gerade in meine», Falle von dieser Ubnng nicht abweiche,,. Man hatte mir den Kaiser als höchst erzürnt über mein Gedicht vorgestellt. Mir lag daran, wenn er sich etwa in diesem Tinnc äußern sollte, seine falsche Anficht nach Möglichkeit zn berichtigen. Ich meldete mich zur Andiene und wurde angenommen. Es war das einzige Mal, daß ich den Kaiser Franz sprach. Bei nicinem Ein- tritt in den Vorsaal zischelten sich mehrere licher, sonst mein vertrauter Freund, tat alles mögliche, meine Nähe zu vermeiden, ja einer der beim Eingang in das Arbeitszimmer des Kaisers aufgestellten Gardisten sprach allerlei 28*
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Grillparzers sämtliche Werke Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Titel
Grillparzers sämtliche Werke
Untertitel
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
Band
II
Herausgeber
Rudolf von Gottschall
Verlag
Hansa-Verlag
Ort
Hamburg
Datum
1906
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.2 x 15.9 cm
Seiten
552
Schlagwörter
Dramatik, Literatur, Gedichte
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Jugenddichtungen
    1. Blanka von Kastilien 4
    2. Wer ist schuldig, Lustspiel 72
  2. II. Gedichte 85
    1. Lebensbilder 87
    2. Liebeslyrik 105
    3. Reisebilder 109
    4. Aus dem Reiche der Kunst und Literatur 113
    5. Zeitgedichte 131
    6. Verschiedenes 144
    7. Aphorismen und Sprüche 155
      1. Selbstbekenntnisse 155
      2. Kunst und Literatur 158
      3. Zur Politik und Zeitgeschichte 165
      4. Lebensweisheit 169
      5. Albumverse 171
  3. III. Erzählungen 175
    1. Der arme Spielmann 177
    2. Das Kloster bei Sendomir 194
  4. IV. Satiren 207
  5. V. Studien 221
    1. Studien zur Literatur 223
      1. Zur deutschen Literatur 228
      2. Zur spanischen Literatur 254
      3. Zur englischen Literatur 307
      4. Zur französischen Literatur 315
      5. Zur italienischen Literatur 319
    2. Studien zur Aesthetik und Poetik 312
    3. Studien zur Geschichte und Zeitgeschichte 349
  6. VI. Biographisches 373
  7. VII. Aphorismen 519
    1. Zur Philosophie und Religion 521
    2. Zur Welt- und Menschenkunde 529
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