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VI. Biographisches.
liäilcit einer Nirlnng auf dein Theater, die
doch aufführen gesehen, als ich es schrieb, Tiefes
'U!is,fallen war um so sonderbarer, da vor
mehreren Jahre», als ich Schrcyvogcl die erste
Idee mitteilte, er davon ganz entzückt schien.
Der vortrcsslichc Mann wurde aber leicht ängst-
lich, wenn ihm ein neues vorkam, wozu er
kein Gegcnbild in den klassischen Mustern fand,
ihn sturen, da es sich dadurch gleichsam als
ein Leitenstück zu Calderuns: „Leben ein
Traum" anzukündigen schien, das Schreyuogel
selbst für die deutsche Bühne bearbeitet hatte.
Bei seiner großen und gerechten Verehrung
für Calderon mochte ihm dicse Gegenüber-
stellung, als Kunstrichtcr und als Bearbeiter,
mißfallen,
vo^'l in ziunflikt zu geraten, legte ich das
Stück ruhig hin, hatte es doch seinen Zweck,
mich zu beschäftigen und zu zerstreuen, voll-
lmmncu erreicht,
^njolge der Ereignisse in großer Verwirrung
bin. Die Ursache davon ist, daß ich bis auf
den gcgeuwärtigeu Augenblick immer bestrebt
war, sie zu vergessen. Ich fühlte mich viel-
leicht etwas hypochondrischerweise so von allen
Seiten bedrängt und eingeengt, daß ich kein
Hilfsinittel wußte, als die marternden Ge-
dankenfaden abzureißen und mich in eine nenc
auch sonst unendlich geschadet. Es hat das
ursprünglich Stetige meines Wesens, um mich
Kan lisch auszudrückeu, zum Fließenden gemacht,
und selbst mein Gedächtnis, das in der Jugend
I>!> möchte jedem, der etwas Tüchtiges werden
will, anraten, die unangenehmen Gedanken fort-
zudenken, bis fie im Verstande eine Losung
finden, Nichts ist gefährlicher als die Zer-
streuung,
Also ich glaube, es war um dicse Zeit, daß
ich von Veethove» angegangen wurde, ihm
einen Operntext zu schreiben. Ich habe die
Geschichte meiner Bekanntschaft mit Beethoven
und dieses Operntextcs in einem besonderen
Aussatzc beschrieben, ich erwähne daher hier
nur so viel, daß mein Verleger Wallishauser,
meiu Autorrecht ans diesen Operntext ablauste
und mir dadurch die Möglichkeit ciuer Neise
verschaffte,
3ie giug dicsnial nach Paris und London,
Ausirr meinem gewölmlichen Neisezwecke, ein-
mal freier Atem zu holen, war es diesmal auch
d« Wunsch, mir von diesen oft erwähnten Welt»
sildten eine deutliche Vorstellung zu ver-
schaffen. Ich ging, wieder allein, über Mün-
cln'n, Stuttgart, Straßburg nach Paris, In
Slnttgart machte ich die Velauutschast UHIandc-, des letzten deutschen Dichters, der bei sich zu
Fremde ichweigselig und neblicht. In Varw
hütete ich mich, die französische» Schriftinllcr
zu besuchen. Diese Leute sind ungemein von
daß sie zwei Dritteile ihres Nuhmes dem Um-
stände verdanken, daß sie französisch, also ni
der Weltsprache, schreiben. Da sie nun zu-
ihnen immer in die Stellung eines Handwerks-
burschen, der auf seiner Wanderung bei einem
fremden Meister vorspricht. Mit Alexandre Tu-
auch Viktor Hugo gebeten war, der aber nicht
kam, Dumas hatte durch seine damalige
Maitresse, spätere Frau, die Schauspielerin Ida,
die in Straßburg erzogen war, eine dunkle
Idee von der „Ahnfrau", für die er, als selbst
Kollegen für einen Kenner der deutschen Lite-
ratnr. Seine Egeria hierin war cden jene
Mllc, Ida, die auch nur ein paar deutsche
Worte wußte, indes er selbst uicht ein einziges
zwischen zwei Herren, die in mir leicht den
Deutschen erkannten. Sie sprachen daher von
deutscher Poesie, indem sie dabei auf eiuen
zeichneten. Während sie nun von 8<.-k!l1»ir und
Loetliß sprachen, wendete sich der Äcnncr um
Wenn ich in Wien uie ins Theater ging,
ging ich beinahe täglich in Paris, der Unter-
tot und die Nachel noch nicht erschienen. Die
Mars spielte nnr noch bei einzelnen Gelegen-
heiten, Ich sah sie in den „falschen Vertrau-
lichkeiten", einer ihrer Glanzrollen, wo ich mir
mir besser gefallen hatte, selbst was die Haltung
und die Feinheit des Spiels betrifft. Dagegen
war sie in der „blinden Gabriele", deren senil»
nnntale Jugendlichkeit mit ihren sehr vorge»
rückten Jahren im schreiendsten Kontrast hätte
siel,en sollen, uuiibertrriilich. Das übrige war
mittelmäßig und, wenn sie tragicrten, widerlich.
Am besten gerieten ihnen noch ncnere Tragö-
dien, aber eine von Racine, die sie gaben, sah
Desto besser waren die kleinen Tln-ater, Was
der Franzose selbst beobachten kann, das stellt
er mit Meisterschaft dar, aber das Stilisieren
Auch die große Oper ist höchst interessant,
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik