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VI, Biographisches.
standen seil, sollte, Eine Tarstellung, wie die
von Menerbcers ,hngenotten, die daninl^ neu
waren, hat man nnßer Paris >vohl nie gc^
sehen, In Vien mußte ich >»ir die ü^per auf
zwei Äde»de einteilen, in Paris habe ich sie
mit immer steifendem Interesse gesehen, l'lbc»
Haupt lassen die französischen Tarstcller eine
Ermüdung nicht auskommen, Sie übertreiben,
aber sie reißen hin, Es ist, als ob man eine
Landschaft durch ein rotes Glas ansähe: die
Farbe n't nicht mehr natürlich, aber die Ein-
heit der Färbung erzeugt eben auch eine Har-
monie, ?ic ztuust ist etwas anderes, als die
Vohnsitz in Tcutschlnud,
Ich machte die Betannlschaft Vccycrbeers,
der sich sehr liebenswürdig benahm und mir
rben wiederholt Platz zu den überfüllten Auf
führnugen sei,ier z?iigenottc,i verschaffte, 'Auch
Thalberg ivar da, si,r mich der Klavierspieler
Mit Ä>ei»,,dre Tnnia^ hatte ich ein eigenes
Unglück, l.'^ irar damals eben zwölfmal mit
ungeheulen, Veifall sein nenesteo Trauerspiel
„Dun s^u»n llo ^I.irÄn,!^' ausgeführt worden,
Nnmas lud mich ein, der dreizehnten Vor-
stellung beizuwohnen, und gab mir sogar eine
Anweisung ans einen Sperrsitz, den man aber
an der >lasse nicht respektierte, Tas Stüel
war, trol! einigen Zügen von Talent, das Ab-
surdeste, was man fehen tonnte, hochioman-
tisch, oder phantastisch. Es kam eine Geister-
redoute der Tuten vor, die der Held des Stückes
alle umgebracht hatte, Eine Szene spielte im
.Himmel, wo Engel der Jungfrau Maria
räncherien, die aber mir bei dcu eisten Vor-
stellungen sichtbar war, in den späteren als
in der «ulisse befindlich angenomincn wurde,
VaZ Stück hatte mit Beihilfe der Freunde und
bezahlten »latscher eiueu ungeheuren Erfolg,
dnrch ^n'ölf Darstellungen, Bei der dreizehnten,
der ich bein.'oh>ite, nwchte die Bcifalls-Asfc«
luranz der Tirettion zu kostspielig oder über-
flüssig sllieiuen, Tas unbefangene bezahlende
Publilnm geivanu die Oberhand, und das Stück
wurde fo entsetzlich nusgepfiffeu, daß es von
da an nicht inelir auf den Brettern erschien.
Selbst diese-5 Auspseifen >vurde mit einer Art
richterlicher Haltung ausgeübt, wenigstens
tamen Pöbeüiaitigleiten nicht vor, wie bei ähn-
lichen Anlässen in Wien, Ner Kunstsinn des
Franioien ist nicht immer auf der rechten
Fährte, was ihm aber im Wege steht, ist doch
immer nur eine falsche Ansicht, nie die Ge»
nieinheit,
^'on den Menschen in Paris waren mir die
interessantesten zwei deutsche Landsleute, Borne
und Heine, Mit ersterem kam ich in ein fast
frenndfchaftliches Verhältnis, Vorne war ge-
wiß ein ehrlicher Man», und das politisch Ai,f° reizende in seinen Schriften, oder vielmehr das
auf den höchsten Grad Gesteigerte derselbe,,,
kam wabrfcheinüch nur dal^r, daß er die
Teutsche» sur fo dickl'äuNg !,ielt, daß man
mit Prügeln drcinschlagen niüise, um nur die
Spur eines geringen ^indl'!il!>> zurüllznlafse!!,
llr glaubte, ohne Gefahr für die Nuhc Teutsch'
lauds sich seinem Tlnannenljasi humoristisch
bei Patienten lw» harte» saunen, Mau ver-
siärlt die Tosen und steigert die Mittel; lange
Zeit ohne Mw>g; bi^ en^lul, die >e>',!e Äv,»,'i
wirkt, und »uu zugleich die Wirlung der
früheren sich bio zuni !Ib>'l»ias,e Luft macht.
Ich ging öfters zu ihn, unch Äuteuil hin-
aus, und er kam mir unliebe nach Paris,
Bis auf seinen wnnoerlichen >)aü gege,i Goethe
fanden wir uns recht gut znsamnien. Aber
aneh dieser haß war uur gegen Goethes so»
geuannteu Aristoklatismus gerichtet. Als eben
damals in Deutschland ein neuer Faust er-
schien, den der Verfasser Bömeu zuschickte, zeigte
sich in der Indignation über dieses Gegenüber-
größten nnscrcr Nichtcr legte, Ta5 schlimmste
anbrachten. So geschah es mir einmal, dai),
als ich einmal meiner Unzufriedenheit über
genwart eines solchen Lrilierten Lnft machte,
des nächsten Tages unser ganzes Gespräch mit
Zeitnng erschien. Ich weiß nicht, ob die östei'
rcichischc Gesandtschaft von dein Blatte Notiz
genommen hat. Vorne selbst konnte sich in
meine Stellung nicht finden, Äls ich eines
Tages bei ihm in Nutcnil gefrühstückt hatte,
forderte er mich auf, mit ihm i» Paris zu
Mittag zu esfen, Wir waren bis zum Ein-
gänge des bestimmten Gasthofes gekommen, als
er mir sagte, ich würde mich köstlich amüsieren.
Es sei ein Gastmahl r>on Ncfugiss aller Nationen.
Man würde sieden halten, "meine Gesundheit,
einen Toast auf die Befreiung des Meufchen»
gefchlechtes trinken nfw, Woranf ich, Abfchied
nehmend, erwiderte, er möge sich nur allein
diese Unterhaltung «erschaffen, ich würde in
einem anderen Gasthause essen,
Heine fand ich in Fülle der Gesundheit, aber,
wie es schien, eben in sehr beschränkter, öko»
»omischer Lage, Er bewohnte in der cits
ber^ers zwei kleine Zimmer, in deren erstem
sich zwei Weibsbilder mit Betten und >!>,,>!!
zu schaffen machten, Vas zweite, noch kleinere,
Heines Arbeit-?',i,nnicr, bekam dnrch die Spar»
lichkeit der Möbel fast das ÄmVhen des Ge-
räumigen oder doch des Geräumten. Seine
ganze ostensible Bibliothek bestand in einem,
wie er selbst sagte, entlehnten Buche, Er hielt
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik