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VI, Biographisches.
gesungen werden, sind häufig nur ei» Bestreben
der Partei, das Stocken des Redners zu ver-
lleiden und ihm Zeit zur Anknüpfung zu geben,
Vas Gan^c ist grußartig und hinreißend,
Mcisiens ging ich allein, wo ich dann nur
mit Hilfe der Police-Männer den Rückweg in
meine ^ohnimg fand, Eines Abands begleitete,,
mm, die beiden Figdor, Nas Gedränge war
groß, und wir mußten lange im Vorsaale
manen, Änf cinnial entfernt sich der Vater
Figdur uud kommt bald darauf ganz kleinlaut
zurück, Später zeigte fich, daß er sich zu dem
Türhüter begeben und einen Vurzng für nus
nnter der Angabe beansprucht hatte, es bc°
fiude sich ein deutscher Literatur da, der ein
Velanuter des 5Zerrn Bulwcr sei. Ich luusitc
von dem allen nichts und war wie aus den
".'ollen gefallen, als bald darauf der Tür-
derhül'schen jungen Manne zu uns trat und
mir sagte: hier ist Herr Vulwer, und zu
letzterem: Hier ist der deutsche Gentleman, Ihr
Freund, Bnlwer ersparte mir die Verlegen-
schlang, mit mir im Vorsaale anf nnd nieder
ging nnd mir fagte: hcnie sei der Saal zu
überfüllt, um mich einznführen, aber morgen,
— will sagen: niemals — möchte ich wieder
Betrunkenen, Bald aber erfuhr ich, daß er
>l>eu eine Rede gehalten, und was ich für
Trnnk'nlieit „ahm, war die Nachwirkung der
aufgeregten Lebensgeister, Ich unterließ um
er ilm ja doch nicht getannt hätte. Wenn
ein Tcntschor nicht Schiller oder Goethe heißt,
geln er nndetannt onrch die ganze Welt,
Tao 3l,eater mar, wie nanirlich, ein Haupt-
fpiele, sämtlich Shatcfpearefche Stücke, war
inir die Sprache nicht hinderlich, da mir jedeo
Wort, vom vielfältigen '^esen her, beiwohnte,
Drsiu u>enigcr aber erbaute mich das ^piel
Macreadh polterte nnd übertrieb. Einer der
beiden Kemble, der, vom Theater bereits zu-
rmlg^ogeu, im InlinZ Läfar Gastrollen gab,
s^l'ieu niir farblos, die Weiber waren letzteres
ini höchsten Grade, Das war in Euventgardcu
nnd in Trnrylane, Nur in der 2nj;!i8ti opera
habe ich einmal Nomeu nud Inlie in dcn beiden
.Hauptpersonen überuortrcfflich darstellen ge-
sehen, Iuilctte war Miß Ellen Tree, den Namen
Romcos Habe ich vergessen,
?a^ englische crnsle ^licater muß aber not-
wendig zugrunde grlien, Tie vornehme oder
auch nur bessere Wen ge!,t um acht Uhr abends
zu Tisch, nnd das Theater beginnt um sieben
Uhr, Ven Anfang auf fväter zu verlegen oder,
da man 'gewöhnlich zwei Stücke gibt, das
Tranerfpiel nach der Pofse mifzuführeu, geht
schon darum nicht, weil der Pöbel sich das
Recht nicht nehmen !äs;t, um neun Uhr um D.'n halben Preis ins Theater zu gehen, ein Recht,
das er so streng ausübt, daß er bei längern
Trauerspielen niitten in der tragischen ita^ta-
strophe in Parterre und Logen hineiupoltert,
LZ müßten daher Shakespcaresche Stücke ent»
weder nach neun Uhr vor einer unruhigen
werden. Zugleich aber tritt der Mangel au
Pietät überall hervor. So habe ich in ^uuent-
gardeu einer Vorstellung beigewohnt, wo nach
Richard dem Tritten die französische Oper: Ti.'
von Pferden mitspielten, so mußte am Prosze-
nium auf halbe Mannshöhe eine Verschränlung
von starkem (iisendraht angebracht werden, Uno
da das wohl viel Mühe und Zeit brauchte,
so geschah die Vorrichtung schon vor Ansang
der Tritte wurde hinter diesem eisernen Zaun
gespielt,
^'arum man das gemeine Volk an Wochen-
tagen (an Sonntagen wiro olmehin nicht ge-
spielt) so sorgfältig von ernsthaften Stücken
stcllnng am Pfingstmontage, dem einzigen
halben Feiertage des cnglifchen Kalenders, Man
gab auch diesmal ein Shakespcaresches Stück
und eine elende Puffe mit Musik, Tas wegen
des arbeitslosen halben Feiertages massenhaft
versammelte Volt machte nun während des
Lärm, daß man nicht etwa nur die Schau-
spieler nicht verstand, sondern auch nicht hören
konnte, ob sie überhaupt sprächen oder nicht,
Tic entgegengesetzten Seiten der Galerie führten
weinhaus voll Vetrunkener kann es nicht anders
hergehen. Kaum ließ sich aber der erste Ton
der Musik zur zweiten elenden Posse hören,
zu Zeit durch Ausbrüchc des lebhaftesten Aei>
falls unterbrochen wurde. Überhaupt ist der
Ohre der größte Liebhaber der Musik, Alle
öffentlichen Anstalten tun das möglichste, um
das gemeine Volk auszuschließen. So haben
die Eigentümer des xooloßical ssai-äeu, wie mir
ein Eintrittsgeld festgesetzt, weil sie fürchten,
daß der Pöbel die Tiere reizen, quälen, ja
böswillig beschädigen werde. Anderseits scheinen
mir alle diese Ausschließungs-Maßregeln, ja
die ganze puritanische Sonntagsfeier wieder
Rohheit zu erhalten,
So wenig mich die englischen Schauspiele
in der Tragödie befriedigten, um so besser fand
^ie haben weniger gute Komiker, als die Fran»
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik