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VI, Biographisches. 453
Nahe, bis ich, in schwarzem Anzüge und eine
brennende Fackel in der Hand, hinter seinein
Hwei Tage vorher kam Schindler des Abends
zu mir mit der Nachricht, daß Beethoven im
Sterbe» liege und seine Freunde von mir eine
Nede verlangte», die der Schauspieler Anschüy
nn seinem Grade halten sollte. Ich war um
so mehr erschüttert, als ich kaum etwas von der
V, ranllieit wußte, suchte jedoch meine Gedanken
nn, die Nede nicdcrzuschreibeu, Ich war in die
zweite Hälfte gekommen, als Schindler wieder
hovcn sei eben gestorben. Na tat es einen
starken Fall in meinem Innern, die Tränen
Rührung mich übermannte ^ ich habe die Rede
nicht in der Prägnanz vollenden können, in der
dnmliger Rülirnng, und Beethoven war nie!,!
mehr nnter uns!
Ich habe Peeiliove» eigentlich geliebt. Wenn
ich von seinen Äußerungen nur wenig wieder zu
erzählen weiß, so kommt es vorzüglich dal,er,
essiert, was er spricht, sondern was er macht,
Wenn sprechen ein Maßstab für >lünst!crwert
voll von Künstlern, als es in der 3at leer ist,
Ja, der eigentliche,i Schöpfungskraft kommt nur
jenes, bereits im Talent gegebene, gleichsam ge-
und individueller Wahrheit ist. Je weiter der
,'lreis, u,n so schwerer feine Erfüllung, Je größer
die Masse, um so schwieriger ihre Belebung.
Als Goethe noch wenig wnßtc, schrieb er den
ersten Teil des ^anst^ als das ganze Reich dec-
Wissenswürdigcn ihm geläufig war, den zu e,ten.
Von einzelnem, was Beethoven sagte, säll! mir
nachträglich nnr noch ein, daß er Schillern sehr
hoch hielt, daß er das Los der Tichter gegenüber
den Musikern als das beglücktere pries, weil
sie ein weiteres Gebiet hätten i endlich daß
mir mißfiel, ihm gleich wenig zu gefallen schien.
Im ganzen dürflen es doch Webers Erfolge ge-
wesen sein, die in ihm den Gedanken hervor«
riefen, selbst wieder eine Oper zn schreiben.
Er hatte sich aber so sehr au einen ungebundenen
Flug der Phantasie gewöhnt, daß teiu Opern-
Ergüsse in gegebenen Schranken festznlmllen.
Er suchte und suchte und fand keines, weil es
für ihn keines gab. Es hätte ihn doch sonst einer
der vielen «toffe, die ihm Herr Nellstab vor-
schlug, besonders eh' ihn noch Mängel der Nns-
führung zurückschrecken konnten, wenigstens in
der Idee anziehe» müssen.
Mein Opcrnbnch, als dessen Eigentümer ich mich nicht mehr betrachten konnte, km» später
durch die Vnchhandlung Wallishauser in die
Hände Konradin Kreutzers, Wenn keiner der
jetzt lebende» Mnsiter der Mühe wert findet,
es zu komponieren, so kann ich mich darüber nur
freuen, Tic Musik liegt ebeiyo im argen als
die Poesie, uud zwar aus dem näinlichen
Grnnde: dem Misttrnm'n dcs Gebielcs der ver-
schiedenen Künste, Tie Mniil strebt, nm sich zu
ihrerseits in die Prosa, Tics weiter auscin«
anderznsetzen fcheint nicht an der Zeit, solange
Ünustphilosophen, Kunsthistoriker — ich dcuke
die Unfähigkeit für ihr eigenes Fach als eine
Vefäiiignng für jedes fremde ansehen, -~ solange
derlei snchn»!»»dige Schwätzer den deutschen
sie sich der Herrschaft der Worte baldmöglichst
entziehen und wieder nnf 3achcn und Taten zu-
rücktummcu werde,
^nm Schlüsse noch ein paar NeimHeilc», die
leine bessere Stelle weiß:
Es geht ein Manu mit raschem Schritt, —
Nun freilich geht sein Schatten mit —
Er geht durch Tickicht, Feld uud Korn^
Er stürzt hinein und teilt die Flut;
Äm ander» Ufer steigt er auf.
Setzt fort den mibezwnngnen Lauf,
Ein Sprung — und sieh da, unverletzt
hat er den Abgrund übersetzt, —
Was andern schwer, ist ihm ein Spiel,
Nur hat er keinen Weg gebahnt,
Ncr Mann mich an Beethoven mahnt.
Nede am Grabe Veethovenv.
^»dem wir hier am Grabe dieses Ver-
blichenen stehen, sind wir gleichsam die Reprä-
sentanten einer ganzen Nation, des deutschen
gesamten Volkes, trauernd über den Fall der
einen hochgefeierten .Hälfte dessen, was uns
übrig blieb von dem dahiugcschwundeiien Glanz
ln'imischer Kunst, vaterländischer Geistesblüte.
Noch lebt zwar — und möge er lange leben!
uud Zuuge; aber der letzte Meister des tönen»
den Liedes, der Tonkunst holder Mnnd, der
Erbe und Erweiterer von Bändel nnd Pachs,
zerrissenen Saiten des vcrklungcncn Spiels.
Tes verünngenen Spiels! Laßt mich ihn
so nennen! Nenn ein Künstler war er, uud was
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- II
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.2 x 15.9 cm
- Seiten
- 552
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik