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Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Seite - 457 -
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VI, Biographisches. 45? Aus dem Atelier des Dichters. Äerde ich ie mehr als ein mittelmäßiger Dichter werden, oder nicht? Dies ist eine Frage, an deren richtiger Beantwortung ich beinahe verzweifle, Für beide entgegengesetzte Behaup- tungen lassen sich wichtige Gründe anführen! Ost fühle ich innig, daß ich Dichter bin, oft zürne ich auf mich selbst, daß ich mich bei mir selbst eines Vorzugs freue, der doch wirtlich nur in meinem Kopfe Realität haben kann. Es ist wahr, ich habe eine lebhafte, eine glühende Ein» bildnngskrnft, viele glückliche, viele traurige Stunden meines Lebens, die Zerrüttung meiner lörperlichen »Gesundheit, und meine näheren Be- kannten bezeugen dies, ich habe hestige beiden schaftcn, was zwar mit dein vorigen alles eins ist, und gewiß, das muß ein Mensch besiNen, der nur einigermaßen Anspruch auf den Namen eines Lichters machen will Aber qualifizieren sie auch allein zu einem Poeten, sind nicht andere Eigenschaften, die ich weder kenne, noch besitze, nonoendig, i!in sich in die Iahl der Priester der Muse zu stellen? Gehört hierzu auch vielleicht der turor paet,ieu8, der alles an einem Nichter, und den ich, wenn ich anders ehrlich reden will, — nicht habe. Andere Tichtcr macht das Nichten warm, mich macht es kalt, Das Haschen nach Nortcn, Silben, Reimen ermüdet mich, nnd das svener ine,ner Phantasie mnß den höchsten Gipfel erstiegen haben, wcun ich imstande sein sull, ein Gedicht an einem Tage zn vollenden, wie ich es mit der Ballade: „Das Grab im Walde" tat, Damals, erinnere ich mich, waren meine Gefühle bis zum Ende in Bewegung, die Verse und Reime flössen leicht aus meiner Feder, so wie dies auch bei dem Gedichte „Der wahre Glaubc" der Fall war, uud beim „Mädchen im Frühl ing". Alle übrigen, auch noch so kleinen Gedichte stickte ich müin'am nnd stückweise zusammen, und ich kann mit Recht sagen, daß ich sie im Schweiße will anfhörcn, denn meine Eitelkeit regt sich! Es ist doch in der Tat sonderbar, daß bei oder Unwertes ansehen? — Alle Dichter (wie ich wenigstens glaube) freuen sich der ungestörten Muße, um dichten zu können; wenn sie unbc» schönsten Gedichte ihrer Feder. Bei nur ist dies gerade umgekehrt! ich dichte nie weniger, nie nie gern Verse, aber dennoch am liebsten dann, wenn ich ganz mit andern Dingen mich be- schäftigen sollte. Wenn ich, umringt mit ^olimiten und Scharteken, dem nahenden kramen entgegensehe, fühle ich mich am aufge- legtesten zur Poesie, da ich hingegen nnn dnrch zwci Monate, die ich während der Vakanzen voll schreiben. Mein Vorsatz ist: der Verstandes- und Mei- nuugspocsie uuscrer Zeit nicht nachzugeben, Das Bild, die Gestalt, Gefühl und Phantasie festzu- halten nnd der Unmittclbarkcit der Anschauung zu gehorchen, die splitterrichtcndc Kritik mag dazu sagen, was sie will. Warum ich Schriftsteller der vergangenen aus den Zeitgenossen vorziehe, liegt auch mit dariu: daß die Irrtümer jeder Vorzeit klar vor den Augeu der Nachwelt daliegen und man haftet fich mit fo vielen Fäden an nns, daß felbst schon die Gewalt, die man anwendet, sich von ihren Irrtümern losreißen, ein Zuviel gcit. Wenn es Leute gibt, die immer die Farbe ihrer Umgebnng tragen, so ist es höchst sonder- barerweise bei mir gerade das Gegenteil. Je entzückter bei Beschallung eines Kunstwerkes z.V. die andern sind, desto kalter bin ich, und je gleichgültiger die andern, desto gerührter werde ich dagegen. So fühle ich mich anch unwiderstehlich ge- zogen, dasjenige zu tadeln, was andere be- sonders übermäßig loben; uud, worüber jeder« man loszieht, das zu verteidigen und die guten reiten hervorzuziehen, macht mir ein eigenes, bis zur Hartnäckigkeit gehendes Vergnügen. Die Empfindung hat bei mir immer eine vorherrschende Neigung zum Formlosen; das Formgeben bringt mich dein Verstände näher, als billig ist. Daß mir die meisten Dinge im Leben miß- lingen, kommt wohl nur daher, daß ich sie nicht so angreife, wie es sein müßte, um sie zum besten Ende zu bringen, sondern nur snche, sie sobald als möglich vom .Halse zu schaffen. Da» her kommen die Verlegenheiten immer wieder zurück, und ich weiß recht wohl, daß, wenn ich mich über mein böses Geschick beklage, ich die schuld auf meine Ungeschicklichkeit, mein Auf» schieben, mein Zandern und Übereilen nehmen muß. Was mein — weniger absichtliches, als durch Poesie dein Ursprünglichen, durchaus Bildlichen,
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Grillparzers sämtliche Werke Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band II
Titel
Grillparzers sämtliche Werke
Untertitel
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
Band
II
Herausgeber
Rudolf von Gottschall
Verlag
Hansa-Verlag
Ort
Hamburg
Datum
1906
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.2 x 15.9 cm
Seiten
552
Schlagwörter
Dramatik, Literatur, Gedichte
Kategorien
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Inhaltsverzeichnis

  1. Jugenddichtungen
    1. Blanka von Kastilien 4
    2. Wer ist schuldig, Lustspiel 72
  2. II. Gedichte 85
    1. Lebensbilder 87
    2. Liebeslyrik 105
    3. Reisebilder 109
    4. Aus dem Reiche der Kunst und Literatur 113
    5. Zeitgedichte 131
    6. Verschiedenes 144
    7. Aphorismen und Sprüche 155
      1. Selbstbekenntnisse 155
      2. Kunst und Literatur 158
      3. Zur Politik und Zeitgeschichte 165
      4. Lebensweisheit 169
      5. Albumverse 171
  3. III. Erzählungen 175
    1. Der arme Spielmann 177
    2. Das Kloster bei Sendomir 194
  4. IV. Satiren 207
  5. V. Studien 221
    1. Studien zur Literatur 223
      1. Zur deutschen Literatur 228
      2. Zur spanischen Literatur 254
      3. Zur englischen Literatur 307
      4. Zur französischen Literatur 315
      5. Zur italienischen Literatur 319
    2. Studien zur Aesthetik und Poetik 312
    3. Studien zur Geschichte und Zeitgeschichte 349
  6. VI. Biographisches 373
  7. VII. Aphorismen 519
    1. Zur Philosophie und Religion 521
    2. Zur Welt- und Menschenkunde 529
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