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Der Donaustrom wird bei Krems 380 Meter breit und tritt nun mit seinem Lanfe,
der zwischen zahllosen Jnselhanfen und Auen geht, welche die behutsamste Naufahrt
erfordern, um die Schiffe nicht in einen Sack treiben zu lassen, in das Tnl lner Becken. Er
war ungefähr 16 Meilen von Pafsan weg bis Krems in einem engeren Bette, das sich nur
stellenweise verbreiterte, geblieben. Über diese Thalenge hinaus verschwinden die bisherigen
landschaftlichen Zauber, für die man aber durch die Fauna auf und zwischen den Jnselanen
schadlos gehalten wird.
Ein „Verfahren" in die „todten Wasser" wäre von großem Übel und hätte die
längste Verzögerung zur Folge, zumal schon ein längerer Aufenthalt und Verzug für die
Stromfahrt wohl weniger die Dampfer als die übrigen Fahrzeuge trifft, die bei ein-
fallenden Nebeln, welche sich schwer über die Donau legen oder aus ihr aufsteigen, „wind-
feiern" müssen, bis die Bahn wieder frei wird; denn der Trotz, dennoch die Fahrt zwischen
den Jnselhanfen fortzusetzen, würde sich rächen. Während der unberechenbaren Pause des
„Wiudfeierus" beginnt ein eigenthümliches Leben auf den Schiffen und in den Jnfelaueu,
an oder vor deueu mau anlegt und ankert. Man macht aus der Noth eine Tugend, weithin
leuchten und brechen in über Wasser zitternden Reflexen die Herdfeuer, an denen „abgekocht"
wird; es geht laut und lustig an diesen Bivonaes her, da überdies mit dem Oberländer
Biere nicht gespart wird.
Die Dampfschiffahrt, noch mehr aber der Schienenstrang der Westbahn haben eine
Staffage der Donanlandschaft, die in früherer Zeit lebendig war, auf ein geringeres uud
geräuschloseres Maß redncirt. Da waren die großen Schiffzüge, die stromaufwärts gingen
und oft eine förmliche Flottille bildeten, zu deren Bewegung sechzig Pferde und darüber
angestrengt „im Geschirr" lagen. Ein hochinteressantes Schauspiel bot ein solcher Schiff-
zug, dem schon weithin der lauteste Lärm voranging, und eine fast episch-dramatische
Erscheinung war es, im Zuge eine reiche Anzahl schwerer und kräftiger Pinzganer
Hengste zu sehen, deren Wildheit durch Beißkörbe gekennzeichnet war und deren scharf
grelles Gewieher die Lüfte erfüllte; rittlings auf ihnen uud neben ihnen die Knechte,
die Störrigen mit der kurzen Peitsche bearbeitend und antreibend; über dem Ganzen eine
Staubwolke, die von dem Wellsande der „Trebbelbahn" aufgewirbelt wurde. So weit das
Auge reichte, schloß sich Kelheimer au Kelheimer nnd zwischendurch glitten mit rascheu
Ruderschlägen die Waidzillen, mit denen der Rapport der Nanführer auf den einzelnen
Fahrzeugen vermittelt wurde, deren lautester Zuruf sonst eitel und vergeblich gewesen
wäre. Die langen Hakenstangen knirschten in den Kieseln und die Holzblöcke, die zwischen
der Wauduug der Schiffe uud dem Uferbeschlag sicheren Wnrfes geschleudert wurden, um
einen zu heftigen Anprall zu verhindern, ächzten und zerfaserten sich. Das schwerste Stück
Arbeit war es, eine solche Flottille von einem Ufer zum andern hinüberzufeileu, die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317