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Das Jahr.
Das neue Jahr wird wie andere öffentliche Feste in den meisten Gegenden Nieder-
österreichs von den Burschen „eingeschossen" und von Nachts herumziehenden kleinen
Musikbanden „eingeblasen"; im Wechselgebiete (V. U. W. W.) ist auch das „Neujahr-
singen" Brauch. Allgemein hält man noch an der Sitte fest, zum Jahreswechsel sich gegen-
seitig Glück zu wünschen. Einige landläufige Wunschformeln verdienen als charakteristisch
hier vorgeführt zu werden.
„Ich wünsch' dem Herrn und der Frau
Ein glückseliges neues Jahr,
Das Christkind! im krausen Haar,
Ein gesundes und langes Leben,
Einen Beutel voll Geld daneben.
Ich wünsch' Ihnen einen goldenen Tisch,
Auf jedem Eck einen brat'nen Fisch, In der Mitte eine Kanne Wein,
Da kann der Herr und d' Frau
Brav lustig sein.
Ich wünsch' Ihnen einen gold'nen Wagen,
Da können S' miteinander in Himmel fahren;
Aber das thät' ich mir ausbitten,
Daß ich hinten darf aufsitzen."
Dies ist indeß nur eine von den zahlreichen Variationen des allbeliebten Glück-
wunsches. Wenn der Bauernjunge ihn spricht, sagt er statt „dem Herrn und der Frau":
„dem Vöderu und der Moam" (Mahm, Muhme. Mit „Vöder" und „Moam" werden in
Niederösterreich überhaupt häufig Bauer uud Bäuerin angesprochen) und gebraucht die
Fürwörter „Ös" und „Eng" (alte Zweizahl — Ihr, Euch).
Originell ist das Einschiebsel:
„Ich wünsch' dem Herrn eine rothe Hos'n, Der steht als wie ein Nagelstock, 2
Da können die Dukaten drin losn; 1 Und wünsch' der Frau eine gold'ne Haub'n,
Ich wünsch' der Frau einen seidenen Rock, Die steht als wie eine Turteltauben."
(Dabei ist an die altehrwürdige Goldhaube zu denken.)
Recht naiv gratulirt der „Zögerbua" ^ im Gebirge (V. O. W. W.):
„I kimm'4 herein mi mein' Zöger,
Was 'Z5 ma6 gebts?, das trag' i weg.
I wollt', der Bau'r waar's mein Vöder
Und gaabat^ ma a Seit'n Speck!
Auch Spottverse kann man hören
gesprochen, z. B.:
„Ich wünsch' dir ein glückselig neues Jahr,
Weil das alte is schon gar- Es soll eam " G'sund " und langes Leb'n
Dafür der himmlisch' Vader geb'n.
I bitt' eng, schenkts ma ja nit z'wen'g,
Wann's ma aa^ mein' Zöger z'sprengt".
doch wohl öfter im Scherz als im Ernst
Und wenn d' nit g'scheidter worden bist,
So bist und bleibst der alte Narr".
! Horchen, hören. > Nelkenstock. 2 „Zöger" ist ein länglicher Tragkorb. * komme. ^ Verkürzt aus „ös". ° mir. ? Mund-
artliche Zweizahl — gebt (ihr). ^ wäre. « gäbe.ihm. " Der G'sund — die Gesundheit. !2 auch.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317