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stand vor jedem Hause ein solcher, so daß sie den Heiligen nicht finden konnten. Die neuere
Forschung erkennt im Maibaume eine Personifikation des Frühlings.
Zu Pfingsten geht man im Ibbsthal in aller Frühe auf Berghöhen, um dort den
heiligen Geist anzurufen. Man nennt dies „heiligen Geist fangen". (Ibbsitz.) Im
B. U. W. W. werden in einigen Gegenden die Höhenfeuer gebrannt, welche man um
Wiener-Neustadt, z. B. in der Pfarre Winzendorf, „Heiligengeistlicht" heißt. Auch hier
begegnen wir altgermanischen Cultbräuchen mit christlicher Umdeutuug.
Das Pfingstschnalzen ist in Niederösterreich noch ebenso üblich und von gleicher
Bedeutung wie das Örg'n-Schnalzen. Nach einer eigenthümlich christlichen Auffassung soll
das Sausen der Peitschen an die Herabkunft des heiligen Geistes nach dem biblischen
Berichte erinnern. (V. O. M. B.)
Mit dem Pfingftschießen („Bäume auschießen") will man Frost und Blitzschlag
von den Obstbäume» fernhalten. (Diese Auffassung besonders im Ibbsthal.) Der Glaube,
daß am Pfingstsonntage bei Sonnenaufgang der Papst der ganzen Welt den Segen
spende, ist wohl allgemein; man geht deßhalb in aller Frühe hinaus ins Freie und betet,
das Antlitz nach der Richtung der ewigen Stadt gewendet. Denjenigen, welcher an diesem
Tage zuletzt aufsteht, trifft Spott; man nennt ihn den „Pfingstlümmel" (V. O. W. W.)
oder das „Pfingstbloch", auch „Pfingstnickl". (Haßbach.) In einigen Gegenden, besonders
im V. U. M. B. und U. W. W, finden sich Spuren des anderwärts so bekannten
„Pfingstkönigs". Zu Jetzelsdorf (bei Retz) ziehen um Pfingsten einige junge Bursche im
Orte herum, uud zwar im Alltagsgewande; nur eiuer steckt in einer „Kutte", das heißt in
einem überreich mit Blumen aufgeputzten zuckerhutförmigen Flechtwerk aus Ruthen, das
ihn ganz bedeckt, so daß man kaum die Füße sehen kann. Vorangetrageu wird dem
„Köuig" uud seiuem Gefolge ein hoher grünender Baumast, mit farbigen Bändern behängt.
Nach einer älteren Aufzeichnung war früher das Gesicht des Pfingstkönigs geschwärzt
und wurde derselbe nach beendigtem Umzüge ins Wasser geworfen. Daß dieser Figur eine
Personification des Maies zu Grunde liegt, deuten die Namen „Maikönig", „Maigraf" an.
Am Frohnleichnamstag („Gottsleib'ntag") werden nach der kirchlichen Procession
von den an den Weg gesetzten Birken Zweige gebrochen und in die Fensterkreuze gesteckt
oder sonst aufbewahrt, da sie die Kraft haben, den Blitz abzuwenden. Auch die Blumen-
kränze wirft man nicht weg, sondern gibt sie entweder als geweihtes Futter den Rindern
oder windet sie um die Milchtöpfe. Am Johannistag werden sie an manchen Orten im
Sonnenwendfeuer verbrannt.
Am Abend des Sonnenwendtages flammen in vielen Gegenden Niederösterreichs
ans Bergen und Hügeln Feuer und krachen Böllerschüsse. Man schleppt so viel Reisig nnd
„Bürdlholz" (Prügelholz) zusammen, daß die Flamme oft mehrere Stunden, bis tief in
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich, Band 4
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 2. Abteilung: Niederösterreich
- Band
- 4
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1888
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 17.75 x 26.17 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Schilderungen aus Niederösterreich 3
- Zur Vorgeschichte Niederösterreichs 123
- Zur Geschichte Niederösterreichs 145
- Zur Volkskunde Niederösterreichs 183
- Die Architektur in Niederösterreich 263
- Burgen und Wohnstätten in Niederösterreich 287
- Malerei und Plastik in Niederösterreich 305
- Volkswirtschaftliches Leben in Niederösterreich 317